Go Bears! – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of California, Berkeley School of Law (2021/2022)
Das LL.M.-Studienjahr in Berkeley war für mich eine großartige Zeit. Während des Programms konnte ich meinen Horizont in fachlicher wie auch persönlicher Hinsicht erweitern. Der Austausch mit meinen Kolleg*innen aus aller Welt war dabei für mich die wertvollste Erfahrung.
Inhalt
Bewerbungsphase
Ich habe mich im Oktober 2020 während des Referendariats mit den Noten der Ersten Juristischen Prüfung für LL.M.-Programme in Amerika zum Herbst-Semester 2022 beworben. Rückblickend würde ich jedem empfehlen, möglichst frühzeitig mit der Planung zu beginnen. Gutachten, transcripts von der Uni (und, wenn man schon im Referendariat ist, vom jeweiligen OLG) sowie Zeugnisse vom Justizprüfungsamt anfordern – das alles braucht Zeit und muss am Ende noch per Post über den Atlantik. Auf den TOEFL-Test sollte man sich zumindest ein wenig vorbereiten, auch wenn man über gute Englisch-Kenntnisse verfügt.
Die Entscheidung, bei welcher Law School man sich bewerben soll, habe ich von folgenden Kriterien abhängig gemacht: Ranking in den T14, Ort, Profil. Dann habe ich mit Absolventen der LL.M.-Programme in der engeren Auswahl telefoniert und mir ihre persönlichen Eindrücke, einschließlich der Erfahrung mit den Bewerbungs-Essays schildern lassen. Ausgehend davon habe ich mich für Berkeley, NYU und Yale beworben.
Yale war ein long shot und eine Zusage gab es nicht. Für Berkeley und NYU hatte ich Zusagen und habe mich für Berkeley aus folgenden Gründen entschieden: Campus-Uni, Studenten-Stadt, Kalifornien als Reiseland. Die meisten meiner Kolleg*innen haben sich an mehr als drei Law Schools beworben.
Es ist sinnvoll, sich vorab das jeweilige Vorlesungsverzeichnis der Zieluniversität genau anzuschauen. Wer z.B. während des LL.M. schwerpunktmäßig Rechtstheorie studieren will, ist meiner Meinung nach in Berkeley an der falschen Adresse (die NYU dagegen hat beispielweise ein eigenes Rechtstheorie-LL.M.-Programm). Berkeley hat ein gewisses Renommee für IP, bietet daneben aber auch eine gute Auswahl an anderen Kursen.
Während der gesamten Bewerbungsphase und danach sollten Belege für anfallende Ausgaben im Zusammenhang mit dem LL.M. gesammelt werden (Stichwort Steuern, Werbungskosten). Eine Excel-Tabelle bietet sich an, um selbst den Überblick zu behalten.
Ankunft in Kalifornien, Wohnungssuche, Kontoeröffnung, Studiengebühren, Krankenversicherung
Im Sommer 2022 bin ich dann in Kalifornien angekommen – drei Wochen vor Programmstart und damit ca. zehn Tage vor der Ankunft des Großteils meiner Kolleg*innen. Mit im Gepäck: Tennisschläger und Skiausrüstung (letztere fliegt z.B. mit United Airlines ohne Gebühr). Ich war die ersten drei Nächte in einem Hostel in San Francisco und habe über Facebook und Craigslist nach Wohnungen in Berkeley gesucht. Ein Berkeley-LL.M.-Absolvent hatte mich für die Wohnungssuche vorab hinsichtlich Preis und Lage unterrichtet.
Nach drei Tagen bin ich fündig geworden: ein WG-Zimmer, Southside, 7 Minuten Fußweg von der Law School entfernt. Viele meiner Kolleg*innen haben nach einer Online-Besichtigung schon vor ihrer Ankunft einen Mietvertrag abgeschlossen. Es spricht nichts dagegen, für Tipps zur Wohnungssuche über LinkedIn die Kolleg*innen des vorherigen Jahrgangs anzuschreiben, die nach dem Programmende im Mai zu einem großen Teil noch für das Bar Exam Ende Juli in Berkeley bleiben. Wenn man sich vorab sicher ist, dass man das Bar Exam nicht machen will, würde ich dazu raten, beim Mietvertragsschluss zu fragen, ob ein Ende der Laufzeit schon im Mai möglich ist.
Das Preisniveau in Berkeley ist generell ziemlich hoch, das Spektrum relativ breit: Die Monatsmiete für ein Zimmer bewegt sich zwischen circa 1.100 Dollar (günstig (!), tendenziell weiter weg vom Campus) und 2.000–2.300 Dollar (idealerweise dann in Top-Lage mit Aussicht über die Bay und SF). Viele meiner Kolleg*innen haben auf der Southside gewohnt, um den „Telegraph“ herum, bis runter zur Shattuck Ave. Im i-House waren auch einige. Ein kleiner Tipp am Rande: Berkeley ist hügelig! Bei Google Maps sollte man Wohnungsadressen bei der Suche mit Hin- und Rückweg abfragen, weil aus 10 Minuten Hinweg leicht ein 25 Minuten Rückweg werden kann.
Berkeley selbst ist um den Campus herum sehr studentisch geprägt. Es gibt eine Handvoll Bars, einen (!) Club, eine „Fress-Meile“ (Durant-Avenue) und den Telegraph mit kleinen Läden für den täglichen Bedarf. Vom milden Klima begünstigt haben auch die bescheidensten Häuschen auf wenigen Quadratmetern zauberhafte Gärten. Meine Lieblingsorte auf dem Campus waren das Memorial-Glade vor der Doe Library und die Stelle vor dem Campanile-Tower, von der man auf die Golden Gate Bridge schauen kann. Von den Fire Trails oberhalb des Campus hat man eine phantastische Aussicht über Berkeley, die Bay, San Francisco und Oakland.
Am Tag 1 meiner Ankunft habe ich mir eine amerikanische Telefonnummer besorgt und ein Konto bei der Bank of America eröffnet; letztere bietet sich nicht zuletzt deshalb an, weil man dort auch als Visa-Student ein paar Wochen nach Kontoeröffnung eine Kreditkarte beantragen kann (wegen Auslandseinsatzgebühr und einem miesen Wechselkurs bleibt die deutsche Kreditkarte besser im Portemonnaie). Die Kreditkarte braucht man, weil man am Oakland International Airport mit einer Debit-Karte ohne eine Rückflugbuchung vorzuzeigen keinen Mietwagen bekommt (jedenfalls nicht bei den günstigen Anbietern). Und zum Oakland Airport muss man, weil die kleinen Mietwagen-Stationen in Berkeley oft ausgebucht sind. Mit der „blauen“ BoA-Traveller’s Card sind Schäden am oder Diebstahl des Mietwagens versichert, d.h. man kann sich die „Loss Damage Waiver“-Gebühr sparen (das Kleingedruckte sollte man allerdings lesen, nicht jeder Wagentyp ist abgedeckt). Zum Überweisen und Umtauschen von Euro auf das U.S.-Dollar-Konto habe ich TransferWise genutzt (geringe Gebühr, gute Umtauschrate).
Kontoeröffnung und Umtausch sollten möglichst sofort nach Ankunft erfolgen, weil man für den Mietvertragsschluss regelmäßig zwei Monatsmieten Kaution hinterlegen muss und mit dem Semesterstart auch die Studiengebühren fällig werden. Die Studiengebühren für das Herbst-Semester wurden bei uns ca. 10 Tage vor Fälligkeit festgesetzt und lagen rund 5 % über dem estimate, das einem die Uni mit der Zusage mitteilt. Offenbar sind solche Erhöhungen eine gängige Praxis, auf die mich auch ein Berkeley-Alumni vorab hingewiesen hatte.
Die Beiträge für die Pflichtkrankenversicherung an der UC Berkeley sind abenteuerlich, es besteht allerdings die Option, mit einer im Leistungsumfang vergleichbaren Versicherung einen waiver zu erhalten (die meisten von uns Europäern haben mit der ISO abgeschlossen). Die Fristen für den waiver sollte man im Blick behalten.
Zusammensetzung der Studierendenschaft, Kurswahl und Reiseziele während des Studienjahres
Unsere LL.M.-Kohorte setzte sich aus mehr als 300 Kolleg*innen zusammen. Nach Regionen waren Asien, Europa und Mittel- und Südamerika besonders stark vertreten; nach Ländergruppen mit großem Abstand China, Japan und Indien, gefolgt von Indonesien, Mexiko, Frankreich und 13 Kolleg*innen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Der Altersmedian lag gefühlt bei 26/27 Jahren; nach meiner Einschätzung hat das jeweilige Alter im Umgang miteinander keine große Rolle gespielt. Spannend war für mich, dass viele meiner asiatischen sowie mittel- und südamerikanischen Kolleg*innen bereits mehrere Jahre Berufserfahrung und eine entsprechend andere Perspektive hatten. Überhaupt war der Austausch mit meinen Kolleg*innen der schönste und lehrreichste Teil der LL.M.-Erfahrung. Für mich war es während des Studienjahres faszinierend zu erleben, wie unterschiedlich und gleich wir als Menschen und Jurist*innen um den Globus herum „ticken“. Unsere LL.M.-Kohorte war sehr gut organisiert und sehr inklusiv.
Neben den Pflichtkursen Fundamentals of U.S.-Law und Legal Research and Writing habe ich im Herbst-Semester Business Associations und IP belegt. Außerdem hab ich einen vom Engineering Department angebotenen Kurs belegt, in dem Teams aus Ingenieuren, MBAs und Jura-Studierenden jeweils die IP-Position eines Tech-Start-ups analysiert und darauf aufbauend eine Kommerzialisierungsstrategie entwickelt haben. Letzteres und der IP-Kurs an der Law School waren für mich in fachlicher Hinsicht am lehrreichsten. Insgesamt habe ich während des Herbst-Semesters 16 Units belegt, das Maximum (eine overload-Petition auf 17 Units ist möglich). Die Qualität der Lehre hängt – wie auch in Deutschland – stark vom jeweiligen Dozenten ab. Anders als in Deutschland gibt es deutlich mehr vorlesungsbegleitende Pflichtlektüre, und in vielen der Kurse über das Semester verteilt assignments in unterschiedlicher Ausgestaltung (Übungs-Klausuren, Präsentationen, Projektberichte).
Mit meinen 16 Units war ich dann auch gut ausgelastet. Trotzdem blieb viel Zeit für Tennis, Segeln, und Wochenend-Trips. Der erste Trip ging ins Nappa Valley zur Weinverkostung, dann nach Santa Cruz, Las Vegas und Yosemite. In Deutschland wenig bekannt, aber unbedingt lohnenswert: Die Pazifikküste von Marin County, der Landmasse, die durch die Golden Gate Bridge mit San Francisco verbunden ist. Wanderungen dort bieten malerische Landschaften, Strände, Redwoods, und das nur 1–1 1/2 Stunden mit dem Auto von Berkeley entfernt. In San Francisco war ich vielleicht 15 Mal über beide Semester verteilt und damit viel seltener als anfänglich gedacht.
In der winter break (Mitte Dezember bis 10. Januar) bin ich auf einem Road-Trip über den Highway 1 runter nach L.A. Zum Ski-Fahren ging es nach Lake Tahoe, einem magischen Gebirgssee circa 3 1/2 Stunden mit dem Auto nördlich von Berkeley.
Gibt man sich außerhalb Berkeleys als „Cal“-Student zu erkennen, wird man nicht selten auf der Straße von ehemaligen Alumni mit einem enthusiastischen „Go Bears!“ begrüßt. „Cal“ ist traditionsgemäß die gängige Bezeichnung für Berkeley als erster Universität im University of California-Verbund. „Go Bears“, eigentlich der Anfeuerungsruf für das Football-Team, ist über die Jahre zu einer allgemeinen Gruß- und Erkennungsformel transzendiert.
Im Frühjahrs-Semester habe ich Civil Procedure, Evidence, ein Arbitration-Seminar und ein Seminar zu Geheimhaltung und Informationszugang im Zivil- und Strafverfahren belegt. Letzteres hatte für mich im Frühjahrs-Semester den größten Mehrwert: Über das Semester hinweg wurden Teilentwürfe einer Seminararbeit gefertigt und von den anderen Kursteilnehmern in mehreren Workshops mit (teilweise sehr detailliertem) Feedback versehen. Es war spannend zu sehen, wie sich die Arbeiten der Kursteilnehmer über das Semester hinweg entwickelt haben.
Während des Semesters war ich noch ein paar Mal am Wochenende Skifahren. In der spring break (fünf Tage vorlesungsfreie Zeit) ging es nach San Diego in den Süden. Nach der Abschlussfeier war ich noch für ein paar Tage in Nordkalifornien unterwegs, über Mendocino hoch nach Eureka. Zehn Monate waren in einem Wimpernschlag vorbei.
Fazit: Ich kann das LL.M.-Studium an der UC Berkeley uneingeschränkt empfehlen.
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