Zwei Sommer in Berkeley
Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium („Executive Track“) an der University of California, Berkeley School of Law (2022/2024)
Schon während des Studiums wollte ich einen LL.M. machen und eine gewisse Zeit im Ausland zu leben. Doch die hohen Kosten und auch der nicht zu unterschätzende Bewerbungsaufwand schreckten mich zunächst ab. Und ehe ich mich versah, hatte ich meine zwei Staatsexamina geschafft und befand mich mitten im Berufsleben. Der Wunsch eines LL.M. allerdings blieb. So fing ich an, zu alternativen Wegen eines LL.M. zu recherchieren und fand die Möglichkeit eines berufsbegleitenden LL.M.-Studiums an der University of California in Berkeley (UC Berkeley).
Inhalt
Der LL.M. Executive Track an der University of California, Berkeley
Da ich mich bereits mitten im Berufsleben befand und auch privat angebunden war, wollte ich keine neun Monate ins Ausland gehen. Seit Covid gibt es aber glücklicherweise immer mehr Universitäten, auch in den USA, die einen berufsbegleitenden LL.M. anbieten. Die Programme sind sehr unterschiedlich: Manche Programme finden nur online statt, andere sind dagegen auf besondere Fachrichtungen spezialisiert. Mir war besonders die Möglichkeit wichtig, vor Ort studieren zu können. Auch die Fachrichtung und die angebotenen Kurse sollten meinen Interessen entsprechen. Der von der UC Berkeley angebotene Executive Track war daher perfekt für mich.
Der Executive Track ist definitiv ein LL.M. der besonderen Art. Anstelle des traditionellen akademischen Jahres vor Ort (Traditional Track) hat man die Möglichkeit, das Two-Summer-Programm oder das Remote+Summer-Programm zu wählen. Bei ersterem ist man zweimal ca. 9–12 Wochen in Berkeley und nimmt an den Pflicht- und Wahlfächern in Form von Präsenzveranstaltungen teil. Bei dem Remote+Summer-Programm dagegen startet man im Januar mit Online-Kursen, besucht dann während des Sommers gemeinsam mit den Teilnehmern des Two-Summer-Programms die Vorlesungen vor Ort und beendet schließlich das Programm von Mitte August bis Dezember wieder online. Ich hatte mich für die zwei Sommer vor Ort entschieden und mich während dieser Zeit von der Arbeit freistellen lassen. Trotz berufsbegleitendem Studium wollte ich so viel Erfahrungen im Ausland sammeln wie nur möglich und meinen Fokus während dieser Zeit auch nur auf das Studium richten.
Was mich zudem überzeugte, ist die Flexibilität des Studiums. Ich habe das Studium im Sommer 2022 begonnen und hätte dieses eigentlich im Sommer 2023 beenden sollen. Da ich aber 2023 ein Kind bekam, habe ich meinen zweiten Sommer ein Jahr verschoben, was ohne Weiteres möglich war. Von dieser Möglichkeit habe nicht nur ich Gebrauch gemacht, auch andere Studierende haben ihr Studium aus diversen beruflichen oder familiären Gründen verschoben.
Eine weitere Besonderheit des Executive Tracks ist definitiv auch die Anzahl der Studierenden. Normalerweise studieren an der juristischen Fakultät in Berkeley pro Jahr ca. 300 Personen, während des Sommers sind es dagegen nur ca. 100. Dies hat den Vorteil, dass die Klassen relativ klein ausfallen und oftmals auch nur 10–12 Teilnehmende haben. Die Betreuung durch die Professoren ist damit persönlicher und intensiver, inklusive diverser Einladungen zum Brunch oder Abendessen. Im Gegenzug haben die LL.M.-Studierenden allerdings nur Kontakt mit anderen Teilnehmern des Executive Tracks und nicht auch mit den regulären Jurastudierenden (J.D.s), die alle ihre wohl verdienten Semesterferien genießen. Dementsprechend „leer“ ist auch der Campus.
Aufbau des Studiums
Das Sommersemester war bislang in vier Quarter unterteilt. Anfangen konnte man entweder in Quarter eins oder zwei. Der Mindestaufenthalt betrug drei Quarter, wobei ein Quarter drei Wochen dauerte. Zum Ende eines jeden Quarters fanden dann direkt auch schon die Abschlussklausuren der jeweiligen Kurse statt.
Ab 2025 wird sich dieser Aufbau allerdings leicht ändern, um Studierenden noch mehr Flexibilität zu gewähren. Anstatt von vier Quartern wird das Programm offiziell erst im Juni beginnen. Es ist unterteilt in drei Sessions, die – mit Ausnahme der dritten Session – jeweils vier Wochen lang sein werden. Studierende des ersten Sommers und solche des Remote+Summer-Programms müssen mindestens an Session eins und zwei teilnehmen, Studierende im zweiten Sommer mindestens an Session zwei und einer weiteren Session. Wer will kann bereits zwei Wochen vor dem offiziellen Start beginnen und bestimmte Kurse belegen.
Das Sommersemester des Remote+Summer-Programms ist wie das des Two-Summer-Programms aufgebaut. Während des Frühjahr- und Herbstsemesters nimmt man an ca. ein bis zwei Vorlesungen pro Woche teil. Die Law School schätzt den Zeitaufwand pro Woche auf ca. 15 Stunden.
Kursangebot und Spezialisierungen
Im Gegensatz zum Traditional Track an der UC Berkeley kann man im Executive Track leider nur aus einer reduzierten Auswahl an bestimmten Kursen wählen. Neben allgemeinen und Bar-Exam-relevanten Vorlesungen werden insbesondere Veranstaltungen im Bereich „Business“ und „Law and Technology“ angeboten. Die Studierenden haben zudem die Möglichkeiten, durch das Erreichen einer bestimmten Anzahl an Credits ein entsprechendes Zertifikat zu erhalten. Neben einem Zertifikat in Business Law oder Law and Technology gibt es nach Abschluss des Programms die Möglichkeit, an einem für Absolventen des Executive Tracks kostenlosen online stattfindenden Zertifikatskurs Leadership in the Legal Profession teilzunehmen. Ab 2025 gibt es zudem die Möglichkeit ein Zertifikat im Bereich KI zu erlangen.
Bevor man sich daher für den Executive Track in Berkeley entscheidet, bietet es sich an, sich vorab mit dem Kurskatalog vertraut zu machen. Obwohl ich im Arbeitsrecht tätig bin, habe ich mich dazu entschieden, hauptsächlich Kurse im Bereich Technology zu belegen, da mich diese Themengebiete sehr interessieren und ich auch in Zukunft in diesem Bereich meine Expertise ausweiten möchte. Ich hatte bis dato keinerlei Kenntnisse oder Erfahrungen zu den Kursen. Dies wird allerdings auch nicht vorausgesetzt.
Bewerbung und Finanzierung des Studiums
Die Bewerbung für den Executive Track erfolgt wie auch für den Traditional Track über die zentrale Plattform LSAC. Dies hat den Vorteil, dass man sich gleichzeitig bei mehreren Universitäten bewerben kann. So ist es möglich, sich nicht nur für den Traditional Track, sondern auch gleichzeitig für beide Optionen des Executive Tracks zu bewerben. Ich habe meine Bewerbung sowohl für das Two-Summer-Programm als auch für die Remote+Summer-Programm eingereicht, wurde für beide angenommen und konnte dann im Nachhinein entscheiden, welche Variante ich bevorzuge. Bewerbende sollten sich allerdings bewusst sein, dass das LSAC einige Zeit braucht, um den Eingang von Dokumenten zu verarbeiten. Es ist daher ratsam, rechtzeitig mit der Bewerbung zu starten und die Unterlagen einzureichen, sobald diese vorhanden sind.
Zusätzlich zu den über das LSAC einzureichenden Bewerbungsunterlagen müssen Bewerber für den Executive Track noch ein Videointerview durchlaufen. Es handelt sich dabei nicht um ein persönliches Gespräch mit einem Mitarbeiter der Universität. Stattdessen müssen die Bewerber innerhalb einer vorgegebenen Zeit ihre Antworten auf bestimmte Fragen über eine spezielle Plattform aufnehmen.
Die Bewerbungsfrist für das Remote+Summer-Programm endet normalerweise Mitte November, die für das Two-Summer-Programm Mitte Dezember. Die Entscheidung habe ich bereits zwei Wochen nach Einreichen meiner Bewerbung erhalten. Beachtet werden muss, dass man die Entscheidung für das Remote+Summer-Programm bereits bis Mitte Dezember und die für das Two-Summer-Programm bis Mitte März des Folgejahres treffen muss. Die Entscheidungsfristen können daher mit Entscheidungen anderer Universitäten kollidieren. Da ich mich nur für den Executive Track in Berkeley beworben habe, habe ich leider keine Kenntnis darüber, ob die Annahmefristen verlängert werden können.
Die Kosten für den Executive Track sind fast genauso hoch wie die des Traditional Track und damit nicht gerade günstig. Hinzu kommt, dass die Bay Area eine der teuersten Gegenden in den USA ist. Lebensmittelpreise und auch Mietkosten sind enorm hoch. In meinem ersten Sommer habe ich in einem Studentenwohnheim gewohnt, das ist wohl noch die kostengünstigste Wohnmöglichkeit. Das Zimmer habe ich über das Schwarze Brett der Universität gefunden. Man kann sich aber auch über das Portal der Universität für ein Studentenwohnheimzimmer anmelden. Dann erfolgt die Vermietung direkt über die Universität und nicht wie bei mir als Zwischenmiete. Im zweiten Sommer war ich mit meiner Familie in Berkeley. Wir hatten uns daher über Airbnb eine Wohnung gemietet, was leider sehr teuer war. Auch finanziell kann daher der Executive Track eine gute Alternative sein, da man weniger Zeit vor Ort ist. Aufgrund der hohen Kosten macht es daher Sinn, sich frühestmöglich auch um Stipendien zu bemühen. Die Universität gewährt zudem kleinere Stipendien und Nachlässe, teilweise ohne spezielle Bewerbung. An dieser Stelle sollte man nicht (wie ich) den Fehler machen und schon in der Studienplatzbewerbung auf die Option auf ein solches Stipendium verzichten, um möglicherweise seine Chancen einer Zusage zu verbessern. Ich musste die Kosten des Studiums daher komplett aus eigener Tasche finanzieren und habe hierfür bei meiner Bank einen Kredit aufgenommen.
Berkeley und die Bay Area
Berkeley ist eine richtige Studentenstadt und hat auch neben dem Campus einiges zu bieten. So ist Berkeley insbesondere für seine Restaurants und Bars bekannt. Die ein oder andere wird man hier schon durch die wöchentlichen Wild Wednesdays kennen und lieben lernen. Diejenigen, denen neben dem Essen auch Sport nicht zu kurz kommen darf, haben die Möglichkeit, diverse Sport- und Fitnessangebote der Universität zu nutzen oder in den angrenzenden Hills wandern zu gehen. Wer das nicht alleine tun will, schließt sich am besten einer der zahlreichen WhatsApp-Gruppen an und verabredet sich zum gemeinsamen Laufen oder Tennis spielen. Wem Berkeley noch nicht genug ist, der hat die Möglichkeit, in ca. einer halben Stunde in San Francisco zu sein. Da die Bears, die Sportmannschaft der UC Berkeley, ebenfalls in der Sommerpause sind, kann man sich hier dann zumindest ein Spiel der San Francisco Giants (Baseball) anschauen. Aber auch andere tolle Orte, wie das Napa Valley, Santa Cruz oder Lake Tahoe sind immer eine Reise wert.
Fazit
Für mich persönlich war der Executive Track der UC Berkeley genau die richtige Entscheidung, insbesondere weil er mir die für meine Lebensumstände erforderliche Flexibilität bot. Ich kann den Executive Track daher uneingeschränkt empfehlen. Berkeley Law ist nicht nur eine der besten Law Schools der USA, sondern auch die Bay Area hat einiges zu bieten und was gibt es Schöneres als einen oder auch zwei Sommer in Kalifornien unter Palmen zu verbringen. In diesem Sinne: Go Bears!
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