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Studieren zwischen High Tech und Palmen

Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of California, Berkeley School of Law (2023/2024)

Veröffentlicht am 21.6.2024

Richard Wunderlich, LL.M. (Berkeley)

Für mich stand schon immer fest, dass ich im Rahmen meiner juristischen Ausbildung ins Ausland möchte. Im Studium hatte ich mich noch dagegen entschieden – nun nach dem Zweiten Staatsexamen und nach Einreichung meiner Dissertation, war schließlich die perfekte Gelegenheit gekommen. Ich wählte für meinen LL.M. die Law School der University of California (UC) Berkeley. Und was folgte waren inspirierende, bereichernde und unvergessliche neun Monate!

Inhalt

Bewerbungsverfahren

Das Bewerbungsverfahren ist mit Sicherheit die mühseligste Angelegenheit des ganzen LL.M.-Abenteuers. Die Bewerbung dauert lange, ist kostspielig und erfordert viel Geduld. Aber wert sind es die Mühen allemal.

Fangen wir von vorne an. Zunächst sollte man sich überlegen, an welchen Universitäten man sich für den LL.M. bewerben möchte. Zwei Fragen sind hier m. E. entscheidend: Gibt es einen Fachbereich, den man im LL.M. weiter vertiefen möchte? Und gibt es einen Ort, der für einen besonders reizvoll ist in den USA? Meine Antworten lauteten IP und – wenig überraschend – Kalifornien. Nicht nur, aber sicherlich auch wegen des Wetters … Für IP gelten Stanford und Berkeley als führende Universitäten in den USA. Zur Sicherheit hatte ich mich jedoch auch noch an einigen anderen Unis beworben. Zwar bedeutet das einen zusätzlichen Aufwand, aber man weiß letztlich nie, von welcher Universität man eine Zu- bzw. Absage erhält. Empfehlenswert ist es definitiv auch, sich mit Leuten in Verbindung zu setzen, die schon an den jeweiligen Unis studiert haben und einem die nötigen „insights“ liefern können.

Hat man eine Auswahl an Unis getroffen, richtet sich danach – jedenfalls teilweise – der bürokratische Aufwand, d.h. Empfehlungs- und Motivationsschreiben, TOEFL-Score, etc. Sicherlich von Vorteil für die Bewerbung ist es, wenn man in dem Motivationsschreiben zum Ausdruck bringt, dass man ein bestimmtes fachliches Interesse hat, das man an der jeweiligen Universität weiter vertiefen möchte. Noten und Sprachtests sind ebenfalls von Bedeutung, aber amerikanischen Universitäten ist es m.E. ebenso wichtig, dass man einen speziellen Grund nennen kann, aus dem man genau diese Universität ausgewählt hat. Allgemein zu raten ist mit der Bewerbung nicht zu lange zu warten. Man kann sich kaum vorstellen, wie lange es dauert bis man all die Unterlagen gesammelt, z.T. auch übersetzt und versendet hat. Ich habe sicherlich einige Wochen damit zugetragen.

Hat man die Bewerbungen abgeschickt, heißt es erstmal warten. Die Unis haben sehr unterschiedliche Zeitfenster. Aus San Diego hatte ich bereits im Dezember eine Antwort erhalten – Stanford dagegen hatte sich bis April Zeit gelassen. Erhält man einige Monate keine Rückmeldung, heißt das also noch nichts. Über die Zusage aus Berkeley durfte ich mich dann Anfang März freuen.

Was Stipendien anbelangt, kommt dies ebenfalls sehr auf die jeweilige Universität an. Berkeley vergibt leider nur selten Stipendien und wenn ja, dann nur in geringem Ausmaß – ich würde mir hier keine Illusionen machen und mich eher frühzeitig um andere Finanzierungsmöglichkeiten bemühen.

Der „Sather Tower“, auch „Campanile“ genannt – eine Hommage an sein venezianisches Vorbild
Der „Sather Tower“, auch „Campanile“ genannt – eine Hommage an sein venezianisches Vorbild

Das Studium an der UC Berkeley School of Law

Tja, wo soll man anfangen? Kommt man Anfang/Mitte August in Berkeley an, ist man erst einmal „overwhelmed“ ob der schier unendlichen Möglichkeiten, die UC Berkeley vom ersten Tag an bietet und all der neuen Gesichter, die man bereits am Orientation Day sieht. Meine LL.M.-Kohorte bestand aus rund 280 Menschen, verteilt über die ganze Welt. Und darin lag bereits der für mich größte Reiz des ganzen Programms. Die Inhalte des LL.M.-Studiums sind natürlich, jedenfalls größtenteils, außerordentlich spannend und lehrreich. Aber die Perspektiven, die sich einem durch den Austausch mit so vielen inspirierenden Menschen öffnen, haben auf mich mit Sicherheit den bleibendsten Eindruck hinterlassen.

Das Studium an sich und die ganze Betreuung der einzelnen Studenten lässt sich kaum mit dem Studium in Deutschland vergleichen. Vorlesungen sind wesentlich diskursiver gestaltet, die Klassen sind nur einen Bruchteil so groß und die Professoren sind stets ansprechbar im Rahmen ihrer Office Hours oder auch direkt im Anschluss an die Vorlesung. Ich hatte generell das Gefühl, dass ich mehr auf Augenhöhe mit den Professoren agierte. 

Auch die Tatsache, dass man sich die Kurse zu großen Teilen „rauspicken“ konnte, fand ich sehr reizvoll. Nur eine Handvoll Kurse waren obligatorisch, den Rest konnte man je nach Interesse wählen (möchte man das Bar Exam im Anschluss an den LL.M. ablegen, ist man möglicherweise etwas gebundener in der Kurswahl. Aber wirklich gestört hat mich das nicht. Manchmal stößt man sogar auf Kurse, die man zwar nie gewählt hätte, aber überaus spannend sind). Ich habe hauptsächlich Kurse zu IP-Themen gewählt. Vor allem die Kurse von Prof. Samuelson kann ich sehr empfehlen. Sie ist eine absolute Legende in ihrem Fachbereich und hält einige spannende Vorlesungen zu aktuellen juristischen Herausforderungen im IT-Recht sowie Urheberrecht. Generell bot Berkeley Kurse und Seminare zu sehr aktuellen Themen an – etwa zu AI Governance, Hatespeech im Internet sowie zur Regulierung von Online-Plattformen. Oft kommen im Rahmen der Kurse auch Gastredner verschiedener Unternehmen oder Kanzleien, um einen Einblick in die Praxis zu gewähren. Ebenfalls zu empfehlen ist es Soft-Skill-Kurse (etwa „Managing Difficult Conversations“) zu besuchen. Ich habe das Gefühl, dass derartige Kurse in Deutschland wenig bis gar nicht angeboten werden und die Amerikaner uns in der Hinsicht um einiges voraus sind. Daher bietet sich hier die Gelegenheit ins kalte Wasser zu springen! 

Darüber hinaus ist Berkeley bekannt für seine zahlreichen Pro-Bono-Projekte. Hier kann man auch als LL.M.-Student an spannenden Projekten arbeiten (und zugleich Pro-Bono-Stunden für das Bar Exam sammeln). Eine Möglichkeit über den juristischen Tellerrand hinauszublicken bietet die Haas School of Business, deren Kurse man auch als LL.M.-Student belegen kann. 

Wie man sieht, ist es wirklich nicht schwierig die für das Studium benötigten Credits zu füllen. Ganz im Gegenteil, man muss eher aufpassen sich nicht zu viel aufzuladen!

Die Law School bietet über das Semester verteilt zudem sehr viele hochinteressante Vorträge. Ich kann jedem ans Herz legen, die Augen offen zu halten. Während meines Aufenthalts etwa hielten Sonia Sotomayor (eine der Richterinnen am Supreme Court), Lina Khan (die Vorsitzende der FTC) und mehrere hochrangige Politiker Vorträge.

Ein weiteres absolutes Highlight ist der Campus der UC Berkeley. Man kann Stunden über das Gelände und durch seine zahlreichen Fakultätsgebäude schlendern und entdeckt stets etwas Neues. Ich habe noch nach neun Monaten neue wunderschöne Ecken gefunden! Empfehlenswert ist es den Glockenturm hochzufahren (nein, in den USA nimmt keiner die Treppen) und sich einen Überblick über den Campus und die ganze Bay zu verschaffen. 

Ein weiteres Highlight ist das alljährlich stattfindende „Big Game“ zwischen den Football-Teams von Stanford und Berkeley – als Berkeley Student gehört es natürlich dazu die „Golden Bears“ leidenschaftlich anzufeuern.  Sportlich verausgaben kann man sich auf dem Campus selbstverständlich auch selbst – von Tennisplätzen, Swimmingpools über Fitnessstudios ist dem Sportlerherz alles geboten!

Die „Hearst Courts“ – eine der zahlreichen über den Campus verteilten Sportanlagen
Die „Hearst Courts“ – eine der zahlreichen über den Campus verteilten Sportanlagen

Das Leben in der Bay Area – (Viel) Licht und (ein bisschen) Schatten

Das Leben in Berkeley bringt sehr viele Vorzüge mit sich. Das Wetter ist (mit Ausnahmen im Januar und Februar) durchweg sehr angenehm – tagsüber sonnig, nachts kühlt es ab. Zahlreiche fantastische Ausflugsziele befinden sich in der Nähe: San Francisco (nur eine halbe Stunde mit dem Zug von Downtown Berkeley), Stanford (ein Besuch ist allerdings nur zu empfehlen, wenn man keine Berkeley Cap trägt), Yosemite, Big Sur, Lake Tahoe (zum Wandern im Sommer und zum Skifahren im Winter), LA, San Diego, Las Vegas, Sequoia, Seattle und ganz vieles mehr! Langweilig wird es einem in den neun Monaten ganz sicher nicht.

Blick auf den Pazifik von Big Sur
Blick auf den Pazifik von Big Sur

Aber natürlich ist nicht alles Gold was glänzt … Die Wohnsituation in Berkeley ist wahrlich nicht optimal. Man muss sich bewusst sein, dass man für ein Zimmer in einer WG zwischen 1.500–2.000 Dollar im Monat zahlen muss. Möchte man gar eine eigene Wohnung, sind mindestens 2.500 Dollar fällig. Ich würde empfehlen eine Bleibe nicht zu weit vom Campus zu wählen. Die Distanzen sehen z.T. zwar harmlos aus – Berkeley ist allerdings recht hügelig und die Law School befindet sich am oberen Ende des Campus! Generell ist das Leben in der Bay Area alles andere als erschwinglich. Essen im Supermarkt ist so teuer, dass es sich zum Teil gar nicht lohnt selber zu kochen, sondern man sich auch gleich auf dem Heimweg etwas in einem der zahlreichen Cafés mitnehmen kann. Sehr zu empfehlen an der Law School sind die Lunch Talks. Vor allem im ersten Semester (und etwas weniger auch im zweiten Semester) bot die Uni täglich mehrere spannende Talks zu den verschiedensten Themen an, die nicht nur den Hunger nach geistiger Nahrung stillten!

Sicherheit ist definitiv ein Thema in der Bay Area. Tenderloin und Soma in San Francisco würde ich meiden, vor allem abends. Hier werden einem die Drogenprobleme der Stadt unbeschönigt gezeigt. Es gibt wahnsinnig viel zu entdecken in San Francisco und es ist meiner Meinung nach immer noch eine wunderschöne Stadt. SF hat zahlreiche fantastische kulinarische Optionen zu bieten und durch seine starken asiatischen und mexikanischen Einflüsse ist die Stadt wahrlich einzigartig. Nur sollte man generell etwas aufpassen – aber so ist das mittlerweile meiner Erfahrung nach so gut wie in jeder amerikanischen Großstadt.

Die Golden Gate Bridge mit SF im Hintergrund
Die Golden Gate Bridge mit SF im Hintergrund

Zuletzt noch ein paar praktische Tipps für das Leben in Berkeley: Ob man noch von Deutschland aus ein Zimmer anmietet oder auf die Ankunft in den USA wartet und sich vor Ort erst etwas sucht, ist Typsache. Sicherlich ist die Auswahl größer, wenn man bereits einige Wochen vor Studienbeginn online eine Bleibe findet. Ich wollte nichts anmieten, was ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe und habe daher erst ein paar Tage vor Semesterbeginn ein WG-Zimmer angemietet – die Auswahl war allerdings schon recht begrenzt. Ich denke es gibt hierfür keine ideale Lösung, außer man hat jemanden vor Ort, der sich die Wohnung schon einmal anschauen kann. 

Zudem würde ich empfehlen, sofort ein Konto zu eröffnen, dann erhält man auch recht schnell eine Debit Card und muss nicht mehr die Auslandsgebühren für die Nutzung der deutschen Kreditkarte zahlen. Ich war bei der Bank of America und war recht zufrieden – nach ein paar Wochen in den USA konnte ich sogar eine Kreditkarte beantragen.

Fazit

Ich habe meine Entscheidung einen LL.M. zu machen in keiner Sekunde bereut und kann wirklich jedem empfehlen nach Berkeley zu gehen! Nicht nur ist das akademische Niveau hoch und die Location der Universität ein absoluter Traum – die internationalen Kontakte, die man dort knüpfen kann suchen seinesgleichen und bleiben einem (bestenfalls) ein Leben lang. Go Bears!

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