Home | LL.M.-Erfahrungsberichte Severin Müldner: Boston University School of Law (2022/2023)

„Let‘s go Terriers!“

Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der Boston University School of Law (2022/2023)

Veröffentlicht am 14.7.2023

Severin Müldner, LL.M. (Boston)

Bereits im Studium hatte ich einen LL.M. im englischsprachigen Ausland ins Auge gefasst. Nachdem ich mich an zwei Universitäten in Großbritannien beworben hatte, rückte aus privaten Gründen Boston in mein Blickfeld. Ein großzügiges Stipendium der Boston University (BU) bestärkte schließlich meine Entscheidung, einen LL.M. an der BU School of Law zu absolvieren.

Inhalt

Die Bewerbung für das LL.M.-Studium

Die Bewerbung um ein LL.M.-Studium in den USA ist mit recht großem Aufwand verbunden. Dies liegt zum einen daran, dass die Einreichung aller Dokumente über die zentrale Plattform des Law School Admission Council (LSAC) abgewickelt wird. So müssen beispielsweise die Zeugnisse und Notenauszüge von der Universität bzw. dem Prüfungsamt direkt an LSAC gesendet werden. Hinzu kommen die Anforderungen an Länge und Inhalt des Bewerbungsschreibens. Es ist empfehlenswert, sich im Vorhinein mit der thematischen Ausrichtung bzw. dem Schwerpunkt des jeweiligen LL.M.-Studiengangs auseinanderzusetzen, und das Bewerbungsschreiben dann spezifisch auf den Studiengang auszurichten.

Die Lebenshaltungskosten in Boston sind vergleichbar mit Kalifornien und damit deutlich höher als in Deutschland. Die Preise für ein Zimmer in den Studentenwohnheimen starten ab circa $960. Auf dem freien Markt kann man mitunter auch billigere Zimmer finden, wohingegen die Preise nach oben offen sind. Es kann sich lohnen, sich bereits im Voraus mit der von der Universität geforderten (Pflicht-)Krankenversicherung auseinanderzusetzen. Diese kostete 2022/2023 $3.280 und kann nur unter relativ strengen Voraussetzungen durch eine (manchmal billigere) Auslandskrankenversicherung ersetzt werden.

Blick auf den Law Tower und den Charles River von der BU Bridge
Blick auf den Law Tower und den Charles River von der BU Bridge

Das LL.M.-Programm an der BU

Die BU bietet insgesamt vier LL.M.-Programme an: (1) American Law, (2) Tax Law, (3) Banking & Finance Law sowie (4) IP Law. Meine Wahl fiel auf den LL.M. in American Law, weil man, abgesehen von zwei Pflichtkursen – „Introduction to American Law“ and „Legal Research and Writing“ – aus fast 200 Kursen des J.D.-Studiengangs sowie sogenannten „LL.M. Only Courses“ frei wählen konnte und somit maximal flexibel in der Kursauswahl war. Die „LL.M. Only Courses“ waren inhaltlich insbesondere auf praktische Fähigkeiten wie z.B. Vertragsgestaltung im amerikanischen Recht oder Verhandlungsführung ausgelegt. Daneben konnten aber auch die für das Bar Exam relevanten Hauptfächer als „LL.M. Only Courses“ belegt werden. 

Aus eigenen Erfahrungen und denen europäischer Absolventen der vergangenen Jahre würde ich die J.D.-Vorlesungen bevorzugen. Diese sind mit den LL.M.-Kurse inhaltlich überwiegend vergleichbar, wenngleich das Tempo in den J.D.-Kursen etwas zügiger ist. Aufgrund des höheren Sprachniveaus, dem erfrischend aktiven Vorlesungsstil der meisten Professoren sowie der engagierten Mitarbeit der J.D.-Studenten ergeben sich meistens tiefergehende Diskussionen. Das ist für ausländische Studenten insgesamt etwas herausfordernder, resultiert aber auch in einer deutlich steileren Lernkurve hinsichtlich der englischen Sprachkenntnisse und des amerikanischen Rechtssystems. 

Je nach Wahl der Vorlesungen und Seminare kann man auch noch sogenannte „Concentrations“ (Spezialisierungen) erwerben. In dem American-Law-Programm sind das: (1) Intellectual Property & Information, (2) International Business Practice, und (3) Tax. Diese Spezialisierungen sind nicht zu verwechseln mit den bereits erwähnten LL.M.-Programmen, sondern geben nur die Möglichkeit, sich innerhalb des allgemein gehaltenen LL.M. in American Law zu spezialisieren.

Torbogen zur School of Law
Torbogen zur School of Law

Die Vorlesungen erfordern im Vergleich zu deutschen Vorlesungen deutlich mehr Vorbereitung, weil das Lesen und Zusammenfassen der Fälle vergleichsweise viel Zeit in Anspruch nimmt. Man wird, je nach Professor, entweder nach dem Zufallsprinzip, nach einem rollierenden System oder erst nach Meldung aufgerufen. Das Aufrufen mit und ohne Vorwarnung ist für deutsche Studenten eher ungewöhnlich, sorgt aber für eine gute Vorbereitung und spannende Diskussionen. Die Professoren sind dabei durchgehend sehr freundlich und helfen weiter, wenn man die Antwort einmal nicht wissen sollte. Zudem hat man meistens ein bis zwei „Joker“ pro Semester, wenn man die Fälle nicht vorbereiten konnte.

Am Ende des Semesters werden dann die Klausuren geschrieben. Diese gibt es in Form von „In Class Exams“ und zum Teil als „Take Home Exams“. „Take Home Exams“ müssen in der Regel innerhalb von 24 Stunden geschrieben werden, „In Class Exams“ dauern grundsätzlich drei Stunden. Als Nichtmuttersprachler erhält man für die J.D.-Klausuren eine Schreibverlängerung von einer Stunde.  Anders als in Deutschland sind sogenannte „Closed Book Exams“ die Ausnahme, d.h. man hat meistens die Möglichkeit, seine selbstgeschriebene Zusammenfassung (Outline) mit in die Klausur zu bringen und muss somit nichts auswendig lernen. Dies hat meines Erachtens den Vorteil, dass man sich mehr auf den Inhalt der einzelnen Fächer konzentrieren kann. Auch bei den Klausuren wird mehr auf den Lösungsweg und das Erkennen von Problemen geachtet als auf das reine Abfragen von Wissen. Letzteres wird durch Multiple-Choice-Fragen geprüft, welche in der Regel nicht mehr als 20 Prozent der Klausur ausmachen.

Der Campus der Boston University

Der Campus der BU erstreckt sich über circa zwei Kilometer entlang des Charles Rivers. Aus architektonischer Sicht ist die komplette Bandbreite an Baustilen vertreten, von 200 Jahren alten Gebäuden in dem für Boston typischen roten Backsteinstil bis zu dem in diesem Jahr fertiggestellten Gebäude der Faculty of Computing & Data Sciences. Die Law School befindet sich in der Mitte des Campus und ist im sogenannten Law Tower untergebracht. Während das Gebäude selbst wohl nur Liebhaber des Brutalismus in Ektase versetzt, kommt man als Absolvent deutscher Bildungseinrichtungen über die Räumlichkeiten schnell ins Schwärmen. Neben modernen Vorlesungssälen beeindruckte mich vor allem die perfekt ausgestattete Bibliothek. Zudem kümmert sich ein professionelles und großzügig besetztes Team um sämtliche Belange der Studierenden.

Faculty of Computing & Data Sciences vor typischen Bostoner Backsteingebäuden
Faculty of Computing & Data Sciences vor typischen Bostoner Backsteingebäuden

In akademischer Hinsicht war ich vor allem auch von dem üppigen außerlehrplanmäßigen Angebot begeistert. So kann man mehrmals pro Woche seine Mittagspausen bei einem kostenlosen Mittagessen mit Veranstaltungen verbringen, auf denen Gastreferenten zu Themen wie Legal Tech oder der regionalen Bankenkrise in den USA vortragen oder debattieren. Dies hat meinen juristischen Horizont erheblich erweitert.

Boston und New England

Boston ist eine fantastische Stadt, um den LL.M. zu absolvieren und bietet eine einzigartige Umgebung für Studierende. Zusätzlich zur Law School hat man eine große Auswahl an Veranstaltungen, die zum Netzwerken genutzt werden können. Dazu zählt beispielsweise die jährlich stattfindende German-American Conference der Harvard Kennedy School. Die Tagung bietet eine hervorragende Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, sich mit anderen Studierenden und Experten auszutauschen und potenzielle berufliche Chancen zu erkunden. Daneben gibt es in Boston zahlreiche andere Netzwerkveranstaltungen, Branchentreffen und Vortragsreihen, bei denen LL.M.-Studierende die Möglichkeit haben, wertvolle Verbindungen zu knüpfen und Einblicke in die berufliche Praxis zu gewinnen. So bietet beispielsweise die Boston Bar Administration regelmäßig Events an, die speziell ausländische LL.M.-Studenten mit amerikanischen Kanzleien und Unternehmen zusammenbringt.  Insbesondere für den Fall, dass man sein Berufsleben in Boston oder der USA beginnen bzw. fortsetzen will, stehen die Chancen sehr gut, seinen zukünftigen Arbeitgeber bei derartigen Veranstaltungen kennenzulernen.

Für amerikanische Verhältnisse ist Boston eine alte Stadt und versprüht deshalb, im Vergleich zu anderen amerikanischen Metropolen, einen besonderen Charme. Dies macht sich unter anderem in der viktorianischen Backsteinarchitektur bemerkbar, welche sich deutlich von anderen Städten in den USA unterscheidet. Daneben beheimatet Boston viele historische Gebäude, Museen und Einrichtungen. Als Student hat man unzählige Möglichkeiten, seine Freizeit außerhalb des Campus zu verbringen. Sei es in den verschiedenen Stadtvierteln, am Charles River oder am Strand. Zudem ist Boston eine Stadt mit einer leidenschaftlichen Sportkultur. Dies zeigt sich zum einen an der Begeisterung für den Profisport, bei dem Boston in jeder der vier größten Sportarten der USA mit einer Mannschaft vertreten ist. Die Boston Red Sox (Baseball), die Boston Celtics (Basketball), die New England Patriots (American Football) und die Boston Bruins (Eishockey) repräsentieren die Stadt in ihren jeweiligen Disziplinen. Zum anderen hat auch der Breitensport hat einen festen Platz im Kalender der Stadt. Zwei Beispiele von vielen sind der Boston Marathon und die Head of the Charles Regatta, welche jedes Jahr rund 11.000 Teilenehmer und 400.000 Zuschauer an den Charles River lockt.

Wer die Region rund um Boston erkunden will, dem bieten sich unzählige Möglichkeiten für Tages- und Wochenendausflüge. Die Küste Neu Englands lockt mit tollen und unterschiedlichen Stränden. Naturliebhaber und Wintersportfans kommen in den umliegenden Staaten New Hampshire, Maine und Vermont auf ihre Kosten. Besonders zu empfehlen ist die Gegend im Herbst, wenn der Indian Summer die Wälder in einem Farbrausch hält.

Tenants Harbor in Maine
Tenants Harbor in Maine

Fazit

Insgesamt war mein LL.M.-Studium an der Boston University School of Law eine unvergessliche Erfahrung, welche eine große Bereicherung sowohl in persönlicher als auch fachlicher Hinsicht darstellt. Ich habe viele Freunde gefunden, meine Sprachkenntnisse verbessert und das amerikanische Rechtssystem kennengelernt. Daher kann ich jedem, der die Möglichkeit hat ein LL.M.-Programm zu absolvieren, uneingeschränkt ein Studium an der Boston University School of Law empfehlen.

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