Home | LL.M.-Erfahrungsberichte Robert Persicke: Boston University School of Law (2024/2025)

„Wicked Smaht“

Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der Boston University School of Law (2024/2025)

Veröffentlicht am 2.6.2025

Robert Persicke, LL.M. (Boston University)

Doktorand am Lehrstuhl für Zivilrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Leibniz Universität Hannover

Die Idee einen LL.M. in den USA zu absolvieren kam bei mir relativ spontan und nachdem ich auf einer Veranstaltung zu LL.M.-Studiengängen in den USA über die verschiedenen Möglichkeiten und großzügigen Stipendien der Universitäten gehört habe, habe ich letztendlich die Idee in die Tat umgesetzt.

Inhalt

Bewerbung und Stipendien

Die Idee einen LL.M. in den USA zu absolvieren kam mir beim LL.M. Day der Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung („DAJV“). Auf dieser Veranstaltung waren zahlreiche Vertreter der jeweiligen Universitäten zu Gast und man konnte ein erstes Gefühl für die Programme, das Campusleben und mögliche Stipendien bekommen. Dort wurde mir von mehreren Universitäten gleich mitgeteilt, dass sie großzügige Stipendien an Teilnehmer dieser Veranstaltung vergeben. Ich habe mir die Namen der jeweiligen Vertreter gemerkt, in meinen Motivationsschreiben angegeben und erwähnt, wie toll ich es fand, diese Person bei der Veranstaltung getroffen zu haben. So konnte ich dem Motivationsschreiben gleich eine persönliche Note beifügen und indirekt an das Stipendium erinnern.

Nachdem ich alle meine Unterlagen an LSAC geschickt und mich unter anderem bei der Boston University („BU“) beworben habe, hat es auch nicht lange gedauert, dass sich diese bei mir gemeldet hat und ein Videogespräch mit mir ausmachen wollte. Bei dem Gespräch wurde ich gefragt, was ich von der BU erwarte, mir wünsche und was ich allgemein noch so vorhabe. Anschließend wurde dargestellt, wie und mit welchem Programm ich diese Ziele erreichen könnte.

Nach dem Gespräch hat es dann auch nicht lange gedauert, bis ich die finale Zusage erhalten und ebenfalls ein Stipendium (was eher ein Erlass für einen Teil der Studiengebühren ist) angeboten bekommen habe. Niemals sollte man das erste Angebot gleich annehmen. In den USA ist es normal, dass man über die Höhe des Stipendiums verhandelt. Das hat dann auch funktioniert und ich habe ein Stipendium über $30.000 bekommen.

Ausblick BU Law Tower
Ausblick BU Law Tower

Die verschiedenen Programme und das Studienjahr

Die BU bietet zahlreiche Programme an. Man kann einen LL.M. in American Law, Banking & Financial Law, Taxation oder Intellectual Property & Information Law machen. Insgesamt waren wir knapp 200 LL.M.-Studenten, wovon sich die große Mehrheit auf den LL.M. in American Law aufgeteilt hat und jeweils ca. 30 Studenten die anderen Programme besucht haben. Außerdem ist es möglich, in jedem Programm eine Spezialisierung zu wählen und sich noch vertiefter mit bestimmten Rechtsgebieten auseinandersetzen.

Ich habe mich für den LL.M. in American Law mit einer Spezialisierung in International Business Practice entschieden, da ich noch das Bar Exam schreiben möchte und auch den amerikanischen Teil meiner Dissertation im Kapitalmarktrecht voranbringen wollte. So konnte ich aus einer Vielzahl von Kursen wählen, die der Vorbereitung des Bar Exam und gleichzeitig dem Teil meiner Dissertation zugutekamen.

Man kann zwischen vielen „LL.M. only“ oder J.D.-Kursen wählen. Die sog. „J.D.s“ sind die amerikanischen Jurastudenten, die insgesamt drei Jahre Jura nach ihrem Bachelorabschluss studieren. Der Vorteil der „LL.M. only“-Kurse besteht darin, dass man viele verschiedene Leute aus seinem eigenen Programm kennenlernt. Allerdings ist das Niveau und die Geschwindigkeit in den J.D.-Kursen deutlich höher, sodass auch die Lernkurve deutlich steiler ist. Anfangs muss man sich daran erstmal gewöhnen, aber meiner Meinung nach lohnt es sich. Vier meiner neun Kurse waren J.D.-Kurse und rückblickend hätte ich noch mehr J.D.-Kurse belegen sollen.

Bevor es mit den Kursen losging, gab es zunächst eine Einführungswoche. Bei dieser haben wir viel über BU und die Kurse gelernt und konnten unsere Kommilitonen bereits besser kennenlernen. Außerdem haben wir den „Bostonian Accent“ beigebracht bekommen – was auch dringend nötig war –, da uns Wörter wie „wicked smaaht“ (für sehr schlau), „hoss“ (für ein Pferd), „packie“ (für ein Spirituosengeschäft) und „tonsic“ (für kohlensäurige Soda) nicht geläufig waren.

Innenstadt
Innenstadt

Woran man sich definitiv erstmal gewöhnen muss (und vielleicht nie dran gewöhnt), sind die sog. cold calls in allen Kursen. Vor jeder Vorlesung hat man bestimmte Texte zu lesen (meistens sind das relevante Urteile) und der Professor wählt zufällig Leute aus und stellt Fragen zu den Urteilen. Man muss also vorbereitet kommen und immer bereit sein, die Fragen zu beantworten. Aber keine Sorge, selbst die amerikanischen Studierenden haben oft Angst davor und machen teils eine Wissenschaft daraus, wann sie vermeintlich das nächste Mal drankommen. Natürlich ist es ungewohnt und man möchte nichts Falsches sagen, allerdings wird die Vorlesung so deutlich lebendiger und man ist gezwungen, von Anfang an auf dem Stand der Dinge zu bleiben – was einem am Ende bei den Klausuren einen großen Vorteil verschafft.

Was man auf jeden Fall noch außerhalb der Vorlesungen mitnehmen sollte, sind die vielen Veranstaltungen drumherum, die oft auch mit kostenlosem Essen einhergehen. So kamen jeden Dienstag und Donnerstag verschiedene Kanzleien vormittags zur BU und haben kostenlosen Kaffee und Snacks angeboten. Außerdem wurden oft zur Mittagszeit Vorträge zu aktuellen Themen gehalten, wo zusätzlich ein warmes Mittagessen serviert wurde. Da Lebensmittel in den USA nicht gerade günstig sind, waren solche Veranstaltungen mehr als willkommen.

Ein Highlight war das fast tägliche Triathlon-Training mit dem Team der BU. Das Team hat einen eigenen Coach und jeden Morgen stand entweder Fahrradfahren, Schwimmen oder Laufen auf dem Programm. Das war eine super Möglichkeit genug Sport zu treiben und Leute kennenzulernen, die nichts mit Jura zu tun haben. Die BU bietet eine Vielzahl solcher Sportclubs an und jeder kann sich einem solchen anschließen.

Leben in und um Boston

Da es allein in der Stadt Boston 36 Universitäten und über 150.000 Studenten gibt, sollte man versuchen, einen Platz in einer Studentenunterkunft der BU zu bekommen. Diese sind vollmöbliert, haben meistens direkt eine Waschmaschine und Trockner im Haus und sind sehr nah am Campus. Da Boston mit einer der teuersten Städte in den USA ist, macht man mit einer Studentenunterkunft einen guten Deal. Ich habe für ein möbliertes Studio-Apartment $1.785 monatlich gezahlt.

Außerdem hat Boston einen sehr guten öffentlichen Nahverkehr. BU und andere Universitäten haben eigene Busse, in denen man kostenlos mitfahren kann. Dazu gibt es die sog. „T“, die Straßenbahn von Boston und viele verschiedene Buslinien. Wenn das Wetter mitspielt, kann man in unter einer Stunde mit dem öffentlichen Nahverkehr zu einem der Strände rund um Boston fahren.

Boston Public Garden
Boston Public Garden

Boston hat als Stadt einiges zu bieten, von Spaziergängen am Charles River, Entspannung im Boston Public Garden oder ein Besuch in einem der vielen Restaurants. Was man in seiner Zeit auf jeden Fall nicht vernachlässigen sollte, ist das Erkunden von New England mit seinen Nationalparks und Ausflugszielen, die zu jeder Jahreszeit etwas bieten und mit dem Auto in wenigen Stunden zu erreichen sind.

Acadia National Park
Acadia National Park

Was allerdings auch zur Wahrheit gehört, sind die sehr kalten und windigen Winter in Boston. Es weht immer ein Wind und dieser macht alles deutlich kälter. Dieses Jahr hatten wir einen der kältesten Winter seit langem, mit Temperaturen bis zu -20 Grad.

Fazit

Das Studium an der BU hat mir die Möglichkeit gegeben, unfassbar viele und tolle Menschen aus aller Welt kennenzulernen und Freundschaften für‘s Leben zu schließen. Außerdem konnte ich durch das Studium das amerikanische Rechtssystem und die Denkweise der amerikanischen Juristen deutlich besser verstehen. Allein dafür hat es sich schon gelohnt.

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