In der Stadt, die niemals schläft – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der Cardozo School of Law (2022)

Veröffentlicht am 18.3.2023

Nina Hake, LL.M. (Cardozo)

Repetitorin (Zivilrecht) bei der Akademie Kraatz GmbH

Ein lang gehegter Traum, ein LL.M.-Studium in New York zu absolvieren, erfüllte sich im vergangenen Jahr 2022 für mich nach Abschluss des zweiten Staatsexamens. Dies ermöglichte mir einzigartige akademische, berufliche und persönliche Erfahrungen zu sammeln und an den zeitlichen, inhaltlichen und finanziellen Herausforderungen zu wachsen.

Inhalt

Bewerbung und Finanzierung des LL.M.-Studiums

Da ich mein Referendariat im August beendete und nach einem LL.M.-Programm in New York suchte, das im Januar beginnt, fiel die Wahl schnell auf die Cardozo School of Law, eine Partneruniversität meiner Heimatuniversität, der Freien Universität Berlin. Das Bewerbungsverfahren lief dann zunächst über die Freie Universität Berlin mit der Übersendung der Unterlagen, Zeugnisse und Empfehlungsschreiben. Im zweiten Schritt lernte mich die Cardozo School of Law kennen.

Ich hatte während meines Studiums bereits ein Auslandssemesters in Washington D.C. absolviert. Auch aufgrund vergangener Besuche in New York wusste ich, dass ich für ein LL.M.-Studium wiederkommen wollte. Weiterhin hat mich die Cardozo School of Law aufgrund ihres guten Rufes und Spezialisierung im Intellectual Property Law begeistert, welche durch vielseitige Clinics und Externship-Möglichkeiten in New York intensiviert wird. Das gewährte Merit-based-Stipendium der Universität, das die Studiengebühren um die Hälfte reduzierte, hat meine Wahl ebenfalls erleichtert. Nicht zuletzt haben dann aber die Kursauswahl, die praxisnahe Ausbildung und natürlich die Stadt selbst den Ausschlag gegeben.

Finanziert habe ich das LL.M.-Studium mithilfe des erwähnten Stipendiums der Universität und mittels eines umgekehrten Generationenvertrages des Bildungsfonds Brain Capital.

Abendstimmung am Hudson River
Abendstimmung am Hudson River

Das LL.M.-Programm an der Cardozo School of Law mitten im New Yorker Szeneviertel Greenwich Village

Das Studium ist zwar zeitlich und inhaltlich herausfordernd und Vorlesungen finden meist zusammen mit den amerikanischen J.D.-Studenten statt. Die Universität unterstützt LL.M.-Studenten jedoch durchgehend tatkräftig. Ich habe Kurse im gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere im Urheberrecht und Markenrecht, aber auch zum Datenschutz und Internetrecht besucht und kann diese nur empfehlen. Die Universität legt großen Wert auf kompetente und großartige Professoren und auch die vielen Veranstaltungen abseits der Vorlesungen mit Praktikern aus Kanzleien, Behörden und Gerichten sind hervorragend, um sich zu vernetzen. Die Universität hat eine große Bibliothek und sowohl für das LL.M.-Studium als auch für die Veranstaltungen, Klausuren, Finanzierung und bei sonstigen Problemen ist immer jemand verfügbar, der einem weiterhelfen kann. Auch abseits der Kurse bietet die Universität mit dem „Fall Ball“, einer Schifffahrt mit begleiteter Musik und Essen auf dem Hudson River, Ausflügen zu Museen, Kunstgalerien und vielen weiteren Events und Lunches viele Möglichkeiten, eine tolle Zeit inmitten von New York zu verbringen.

Hudson River mit Blick auf das World Trade Center
Hudson River mit Blick auf das World Trade Center

Aber keine Frage – für die Events bleibt nur beschränkt Zeit, denn auf  die Vorlesungen muss man sich, wie in den USA typisch, vorbereiten, indem man Lehrbücher und Rechtsprechung liest und auch möglichst aktiv an den Vorlesungen teilnimmt. Wenn man Pech hat, wird man ohne Vorwarnung aufgerufen, um einen Fall zu schildern. Das sind die sog. „cold calls“. Die meisten Professoren sind aber wohlwollend und helfen einem auch dann weiter, wenn man die Antwort einmal nicht wissen sollte. Auf die Beteiligung im Unterricht wird Wert gelegt, was jedoch die Vorlesungen belebt und aufgrund der unterschiedlichen Standpunkte für sehr interessante Diskussionen sorgte. Das habe ich als schöne Abwechslung zum deutschen Studium empfunden.

Zum Ende des Semesters kommen dann die Klausuren, die es zum Teil als „In Class Exams“ und zum Teil als „Take Home Exams“ gibt. Ich habe beide Typen von Klausuren geschrieben.„Take Home Exams“ dauern bis zu ihrer  24 Stunden . Schlussendlich hat man zwar nur einen gewissen Anteil dieses Klausurtages zur Bearbeitung benötigt, die Flexibilität, seine Gedanken sammeln und vielschichtigere Argumente für einen Fall aufbauen zu können, empfand ich jedoch als sehr angenehm.

Ausblick auf Manhattan
Ausblick auf Manhattan

Berufliche Erfahrungen in meinem Praktikum in einer New Yorker Kanzlei und der Tech Start-Up Clinic

Die Zeit in New York war zudem in beruflicher Hinsicht sehr lehrreich und spannend. Die Universität ermutigt einen dazu, im Sommer Externships zu absolvieren. Ich habe mein Externship bei der Kanzlei Gibbons P.C. verbracht, die ich bereits aus meiner Referendarzeit kannte. Leider konnte ich die Wahlstation aufgrund von Covid-Beschränkungen dort nicht verbringen. Umso mehr freute ich mich jedoch auf das Praktikum im Rahmen des LL.M.-Studiums. Nichtsdestotrotz war die Arbeit im Corporate-Bereich interessant und ich habe Kontakte mit Anwälten geknüpft, die z.T. auch aus Deutschland kamen. Die Kanzlei ist sehr zentral gelegen in Midtown (Manhattan) und der Ausblick aus meinem Büro war atemberaubend. Das Umfeld einer New Yorker Kanzlei und die Arbeitsweise in den USA kennenzulernen, habe ich als sehr bereichernd empfunden und kann dies nur jedem empfehlen.

Büro im „Penn 1“ mit Ausblick
Büro im „Penn 1“ mit Ausblick

Im Herbst hatte ich die Chance, an der Tech Start-Up Clinic teilzunehmen. Die Clinics sind Pro-Bono-Rechtsberatungen und bei den Studenten recht umkämpft. Nach einem Bewerbungsverfahren mit 50+ Bewerbern hatte ich das Glück, bei meiner Wunsch-Clinic angenommen zu werden. Der für die Clinic erforderliche Zeitaufwand war neben den Vorlesungen zwar groß, aber eine tolle und einzigartige Erfahrung. Wir waren ein Team aus ca. 10 Studenten. Ich konnte in einer Zweier-Gruppe Mandanten unter der Betreuung eines Professor treffen und wir haben zur Gründung und Eintragung eines Unternehmens sowie der Beantragung von Marken- und Patentrechten beraten. So ist man in Kontakt mit spannenden Start-ups gekommen, die in den Bereichen von Podcasts, anleitender Verhaltenstherapie anhand einer App und Blockchains zur Sammlung von verschlüsselten medizinischen Daten arbeiten. An diesen Ideen mitwirken zu können und neben interessanten Mandanten auch großartige Kollegen/Mitstudenten zu treffen, war ein weiteres absolutes Highlight.

Cardozo Tech Startup Clinic
Cardozo Tech Startup Clinic

Stadt (z.B. Wohnsituation, Lebenshaltungskosten, Freizeitmöglichkeiten, Öffentlicher Nahverkehr)

Wenn man das erste Mal zum Universitätsgelände der Cardozo School of Law an der Fifth Ave in Greenwich Village kommt, ist man überwältigt von dem Weitblick auf das Empire State Building und das World Trade Center auf der anderen Seite. Unweit von Chelsea und Soho ist die Umgebung der Universität geprägt von vielen schönen Restaurants und Cafés sowie Kunstgalerien.

Ich habe glücklicherweise nur fünf Minuten zu Fuß von der Universität entfernt gewohnt und konnte das Viertel daher umso besser kennenlernen. Die Wohnpreise sind in New York enorm, gerade in der Innenstadt. Am besten ist man daher beraten, sich entweder an Studentenwohnheime oder vergleichbare Einrichtungen zu wenden, da eine Wohnung auf dem freien Markt kaum erschwinglich ist. Ich habe ein Zimmer in einem solchen Wohnhaus gefunden, wo es zwei Mal täglich inklusive Mahlzeiten gab und ich Studenten, aber auch andere Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichster Herkunft treffen konnte.

10 Minuten von mir entfernt konnte man am Hudson River spazieren gehen und auf der „Little Island“ einen Ausblick der gesamten Stadt erhaschen. Die High Line (ein ruhig gelegter, oberirdischer U-Bahnsteig) ist grün bepflanzt und man kann dort weit über 15 Blöcke spazieren gehen und die Seele baumeln lassen. Wenn man in den Sommermonaten zu Fuß oder mit dem Fahrrad durch die verschiedenen Bezirke von der Upper East Side bis zur Lower East Side schlendert oder fährt, entdeckt man zudem wunderschöne Architektur und die belebte Innenstadt. Das war ein schöner Ausgleich zum herausfordernden Studium.

Little Island New York Ausblick
Little Island New York Ausblick
Blick von der High Line
Blick von der High Line

Die U-Bahn ist meist voll und stickig und auch die Straßen sind in der Regel überfüllt. Gerade im Sommer wird es in der Stadt ziemlich heiß. In New York ist man daher am besten zu Fuß oder mit den vielen verfügbaren, zu mietenden Fahrrädern unterwegs. Bei schönem Wetter war es immer wieder schön, nachmittags oder abends durch die Stadt zu spazieren.

Abendspaziergang New York
Abendspaziergang New York

Da mein Programm im Frühjahr (Januar) begann, hatte ich das Glück, alle Feiertage und besonderen Feste in New York mitzuerleben, von St. Patricks Day, Ostern, einem Thanksgiving Dinner in meinem Wohnhaus und bei einer Freundin in Upper New York, einem Fall-Ball meiner Universität im November bis hin zum weihnachtlichen Nikolaus. Besonders genossen habe ich den Zugang zu den vielseitigen Kunstgalerien, dem Guggenheim Museum, der Met und MoMa. Als Student kann man diese vergünstigt oder ganz kostenlos besuchen. Auch der Besuch der Met Opera war ein absolutes Highlight.

Met Opera
Met Opera

Fazit

Zusammenfassend kann ich ein LL.M.-Studium an der Cardozo School of Law und in New York absolut empfehlen. Die Möglichkeiten, sich akademisch, beruflich und persönlich weiterzuentwickeln sind groß. Es ist durchaus eine Herausforderung, sich in der Stadt einzuleben und das Studium sowie die Finanzierung zu stemmen, aber es ist ein einzigartiges und besonderes Erlebnis, dass sich auf allen Ebenen lohnt – Wagt es!

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