The Windy LL.M.
Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Chicago Law School (2022/2023)
Mit dem LL.M. in den USA habe ich mir einen Wunsch erfüllt, den ich mir bereits im dritten Semester in den Kopf gesetzt hatte. Wenn ich nun auf das LL.M.-Jahr zurückblicke, bin ich unfassbar froh, dass ich mich nicht von den vermeintlichen Hindernissen, insbesondere den finanziellen Hürden, habe abschrecken lassen und das Jahr in Chicago in vollen Zügen genossen habe. Der LL.M. war für mich eine großartige Erfahrung.
Inhalt
Vorbereitung und Bewerbungsprozess
Zur Vorbereitung und zum Bewerbungsprozess möchte ich gar nicht mehr so viel sagen, da die wichtigsten Informationen bereits in den anderen Erfahrungsberichten und z.B. auf der LL.M.-Essentials-Seite zu finden sind. Zudem bekommt ihr von den Universitäten auch gute Hilfestellungen, vor allem, nachdem ihr euch für eine Universität entschieden habt. Solange ihr genügend Zeit einplant – ich habe ca. ein Jahr vor Ende der Bewerbungsfrist mit der Vorbereitung begonnen – sollte es in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.
LL.M. nach dem Ersten oder dem Zweiten Examen?
Aus meiner Sicht ist der Zeitpunkt für einen LL.M. grundsätzlich Geschmackssache und es kommt primär darauf an, wie er für euch am besten hineinpasst. Für beide Alternativen gibt es gute Argumente dafür und dagegen. Ich habe den LL.M. nach dem Zweiten Examen gemacht, was für mich persönlich die richtige Entscheidung war. Rückblickend hat der LL.M. nach dem Zweiten Examen meines Erachtens u.a. folgende Vorteile:
- Für mich war es ein befreiendes Gefühl zu wissen, dass ich zurück in Deutschland nicht noch das Referendariat mit Examen vor mir habe, sondern der LL.M. der krönende Abschluss meiner Ausbildung war.
- Ich glaube, es ist nach dem Referendariat wahrscheinlicher, dass man ungefähr weiß, wo man beruflich hinmöchte. Wenn auch die Kurswahl für den Berufseinstieg völlig unerheblich ist, hat es mir doch bei der Auswahl meiner Kurse geholfen zu wissen, dass ich nach dem LL.M. ins M&A gehen werde. Dies hat zumindest mir ein kohärenteres Studienerlebnis gegeben.
- Wählt man im Anschluss an den LL.M. klassisch den Großkanzleieinstieg, profitiert man doch recht stark von den Steuervorteilen.
- Wenn man nach dem LL.M. noch in den USA bleiben und das OPT-Visum nutzen möchte, ist es nach meiner Wahrnehmung mit abgeschlossener Ausbildung etwas einfacher eine entsprechende Stelle in einer Kanzlei zu finden.
- Es gibt immer mehr Kanzleien, die bei der LL.M.-Finanzierung auf die ein oder andere Art unter die Arme greifen, wenn man vor dem LL.M. bereits einige Zeit dort tätig war oder zumindest einen Arbeitsvertrag unterschreibt (Darlehen, alternative Gehaltsmodelle etc.).
Warum UChicago?
Für die UChicago habe ich mich aus verschiedenen Gründen entschieden. Vor allem habe ich von Alumni viel Gutes über die Stadt und das Programm gehört, was ich nun auf jeden Fall bestätigen kann. Zudem wollte ich einerseits in eine nordamerikanische Großstadt und andererseits in ein relativ kleines LL.M.-Programm (wir waren ca. 75 LL.Ms., darunter drei deutsche Studenten). Insofern hat die UChicago viele meiner Auswahlkriterien erfüllt. Sidenote: Wem College-/Uni-Sport wichtig ist, sollte auf dem Schirm haben, dass Sport an der UChicago eine eher untergeordnete Rolle spielt.
Unialltag
Die UChicago Law School ist generell sehr klein, was eine etwas familiäre Atmosphäre schafft. Da es dementsprechend auch viele sehr interaktive Kurse mit nur 10 bis 15 Studenten gibt, ist es recht leicht, auch mit J.D.s in Kontakt zu kommen. Zwei meiner besten Freunde aus dem LL.M. sind Amerikaner, von denen einer mich sogar für ein Wochenende zu seiner Familie nach Texas eingeladen hat. Wenn man möchte, kann man auch mit Professoren gut in Kontakt treten. Die allermeisten sind sehr engagiert und haben auch für LL.Ms. ein offenes Ohr. So hat beispielsweise ein Professor die LL.M.-Klasse zu einem Cocktailabend in seine Wohnung eingeladen.
Bei der Kurswahl fand ich besonders gut, dass es an der Law School auch ein recht großes Angebot an nicht juristischen Kursen gibt, die teils auch von Professoren der Booth School of Business unterrichtet werden und dennoch in die LL.M.-Credits einfließen. Ich habe z.B. einen Kurs in Managerial Psychology mit Ayelet Fishbach (Booth) und einen Kurs in Corporate Finance mit Steven Kaplan (Booth) belegt.
Die UChicago Law School und damit einhergehend das LL.M.-Programm sind insgesamt schon recht anspruchsvoll und gerade aufgrund der oftmals kleinen Kursgröße sind die Diskussionen im Unterricht meist sehr lebhaft. Das heißt weder, dass man sich Sorgen über schlechte Noten oder gar Durchfallen machen müsste, noch, dass man nicht genügend Zeit zum Feiern oder für USA-Trips hätte. Wer jedoch das LL.M.-Jahr primär als Auszeit und zum Reisen nutzen möchte, sollte den nicht zu unterschätzenden Arbeitsaufwand an der UChicago im Hinterkopf behalten.
Stadt
Chicago ist großartig und vor allem mit der Downtown- und Riverwalk-Gegend für mich eine der schönsten Städte der USA. Einzigartig ist die Lage am Lake Michigan, der eher wie ein Meer als ein See anmutet und vor allem im Winter für kräftige Windböen sorgt. Dem Wind verdankt Chicago auch ihren Spitznamen „The Windy City“. Ein Highlight der Stadt waren für mich die vielen Blues Bars, wie Kingston Mines oder Blue Chicago. Wer Livemusik mag ist hier gut aufgehoben. Zudem gibt es viele sehr gute Restaurants und der Chicago Style Hot Dog ist definitiv ein Must-Try (nur mit Senf, niemals mit Ketchup). Mit dem NBA Student Pass kommt man auch leicht an Tickets für Basketballspiele der Chicago Bulls (ca. $20.00). Selbst wenn man kein Bulls-Fan sein sollte, kommt man so in den Genuss, die ganz großen Teams der NBA live zu sehen.
Gewohnt habe ich im Regents Park Apartment Komplex, welcher in Hyde Park gelegen ist. Hyde Park ist auch das Viertel, in dem sich die UChicago befindet. Die Entscheidung dorthin zu ziehen, würde ich auf jeden Fall wieder so treffen und das liegt nicht nur an dem fantastischen Wohnzimmerblick auf den Lake Michigan. Zum einen ist die Law School bequem innerhalb von ca. 15 min dem Bus oder dem Fahrrad zu erreichen. Zum anderen wohnt in der Regel der Großteil der LL.M.-Studenten in Regents Park, was die Wege zu gemeinsamen Abenden – gerade während des berüchtigten Chicagoer Winters – kurz macht. Da ich in einer WG mit zwei Kommilitonen gewohnt habe, war auch die Miete von ca. $1000,00 im Monat für USA-Verhältnisse relativ günstig. Nach Downtown gibt es unmittelbar vor der Haustür direkte Verbindungen mit Bus oder der Metra (vergleichbar mit einer S-Bahn) jeweils zum Millennium Park (beides ca. 20 min Fahrtzeit). Wir haben uns jedoch meistens ein Uber in die Innenstadt geteilt.
Zum Thema Sicherheit kann ich sagen, dass ich mich während des gesamten Jahres nie unsicher gefühlt habe. Nach meinem Empfinden muss man sich auch in den Gegenden in Downtown, in die man regelmäßig zum Essen oder Feiern geht (insbesondere River North und Fulton Market), keine großen Sorgen machen. Es sollte jedoch klar sein, dass man nun mal in nordamerikanischen Großstädten wie Chicago stets ein höheres Maß an Aufmerksamkeit auf seine Umgebung legen sollte als in vergleichbaren Städten in Deutschland. Hyde Park ist etwas schwieriger zu beurteilen. Einerseits habe ich mich auch dort zu keinem Zeitpunkt unwohl gefühlt – der UChicago Sicherheitsdienst ist allgemein sehr präsent. Andererseits erhielten wir von der Universität doch immer wieder Security Alerts per E-Mail. Wer nachts leere Straßen meidet und allgemein achtsam ist, sollte aus meiner Sicht auf der sicheren Seite sein.
Fazit
Der LL.M. an der UChicago Law School ist aus meiner Sicht die perfekte Wahl, wenn man eine Kombination aus Großstadt, kleiner LL.M.-Klasse und Campus-Universität haben möchte und Lust hat, sich auch an der Universität sozial und akademisch einzubringen. Ich hatte in Chicago sehr viel Spaß, habe viel gelernt und eine super Zeit und kann den LL.M. dort wärmstens empfehlen.
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