Ein unvergessliches Erlebnis – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Georgia School of Law (2020/2021)

Veröffentlicht am 28.8.2021

Dr. Maximilian Oehlschlägel, LL.M. (UGA)

Rechtsanwalt bei Baker Donelson

Ich habe nach fast sechs Jahren Anwaltstätigkeit in deutschen Großkanzleien im Studienjahr 2020/2021 meinen LL.M. an der University of Georgia (im Folgenden „UGA“) absolviert. Familiäre Gründe verschlugen meine Familie und mich in die USA und mein Ziel war es, mit dem LL.M. die Voraussetzungen für eine juristische Tätigkeit in den USA zu schaffen.

Für mich waren die zwei Semester sowohl akademisch als auch unter menschlichen Gesichtspunkten eine großartige Erfahrung und ich kann jeden Interessierten nur ermutigen, einen LL.M. an der UGA in Betracht zu ziehen.

Inhalt

Gründe für die University of Georgia

Die University of Georgia ist die älteste öffentliche Universität in den USA und hat im juristischen Bereich eine lange Tradition. Sie ist die Flagship-Universität im Staate Georgia und hat ein hervorragendes Netzwerk, das weit über die Grenzen von Georgia und den USA aktiv ist.

Aus akademischer Sicht ist erwähnenswert, dass die UGA stets unter den 30 besten US-amerikanischen Law-Schools geratet wird.

Der UGA liegt das LL.M.-Programm und das Wohlbefinden internationaler Studenten besonders am Herzen und alle Verantwortlichen begegnen den LL.M.-Studenten mit unglaublicher Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. So lädt beispielsweise der amtierende Dean, Peter B. Rutledge, Studenten zu einem Spaziergang über den Campus ein und ist sehr daran interessiert, LL.M.-Studenten persönlich kennenzulernen. Frau Dr. Kagel, die Direktorin für internationale Ausbildung am Dean Rusk Center, organisiert Treffen für LL.M.-Studenten und hält sie hinsichtlich interessanter Veranstaltungen auf dem Laufenden. Sowohl der Dean als auch Frau Dr. Kagel haben Beziehungen in den deutschsprachigen Raum und sprechen hervorragend deutsch, was für deutsche LL.M.-Studenten sehr hilfreich sein kann.

Die UGA Law School verfügt über eine sehr gut ausgestatte Bibliothek und lässt hinsichtlich der technischen Ausstattung keine Wünsche offen. Die Kurse werden fast ausschließlich im Gebäude der juristischen Fakultät abgehalten. Die Klassen sind im Vergleich mit deutschen Unis klein und die Hörsäle modern ausgestattet.

Ein weiterer Faktor für die UGA ist, dass Georgia es als einer der wenigen US-Staaten ausländischen Juristen ermöglicht, das dortige Bar Exam zu absolvieren und dadurch eine US-amerikanische Anwaltszulassung zu erhalten. LL.M.-Studenten können die Kurswahl so gestalten, dass alle Kursvoraussetzungen für das Bar Exam erfüllt werden. Die zuständigen Koordinatoren an der UGA sind diesbezüglich sehr erfahren und helfen Studenten bei der Zusammenstellung des Curriculums.

Der Studienstandort Athens, Georgia

Ein wichtiger Faktor bei der Wahl des LL.M.s ist der Studienstandort. Athens ist nach meiner Erfahrung aufgrund vieler Faktoren sehr attraktiv.

Athens ist eine alte Studentenstadt mit dem unvergleichlichen Südstaatenflair und bietet ein reiches kulturelles Angebot. Daneben gibt es hervorragende Bars und Restaurants und ein pulsierendes Nachtleben. Viele Gebäude im Ante-Bellum-Stil prägen das Stadtbild und gerade der Nordcampus mit seiner parkähnlichen Gestaltung lädt zum Verweilen ein. Die UGA ist zentral für das Leben in Athens und bietet Studenten zahlreichen Möglichkeiten, die freie Zeit interessant zu gestalten. So gibt es ein Sportzentrum, einen Golf course und viele andere Einrichtungen der UGA, die den Studenten offenstehen.

Blick auf das Homes-Hunter Academic Building

Kost und Logis sind im Vergleich zu anderen US-amerikanischen Studienstandorten erschwinglich. Die Stadt ist sehr vielschichtig und bietet von einfachen Studentenbars bis hin zu „Fine Dining“ viele Möglichkeiten für die Abendgestaltung.

Für US-amerikanische Verhältnisses sind die Entfernungen in Athens relativ kurz, sodass man nicht zwangsläufig ein Auto benötigt, sondern auf den gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen kann. Ich hatte ein Auto und war dadurch etwas flexibler.

Ausländische Studenten haben die Möglichkeit, in einem der diversen Studentenwohnheime oder in privat vermieteten Wohnungen unterzukommen. Viele Wohneinheiten befinden sich in kurzer Entfernung zum Campus.

Unvergesslich ist ein Besuch eines College-Football-Games und dem vorangehenden „Tailgating“. Die Begeisterung für sportliche Veranstaltung, vor allem College Football, ist überwältigend und zieht einen schnell in den Bann. Unter „Tailgaiting“ versteht man Partys vor einem Football-Game. Man trifft sich meist auf Parkplätzen oder anderen freien Flächen rund ums Stadion, grillt, hat einen Drink und feiert sein Team. Ich wurde von einem amerikanischen Studenten zum Football-Game eingeladen und habe die Atmosphäre sehr genossen.

Im Sport aber auch akademisch wird versteht man sich als Gemeinschaft und die Verbundenheit zur UGA wird Studenten ein Leben lang begleiten.

Sanford-Stadium – Stadion der Georgia Bulldogs

Zudem ist man nur anderthalb Stunden von Atlanta entfernt. Die Stadt ist eine lebendige Wirtschaftsmetropole mit vielen interessanten Sehenswürdigkeiten, wie etwa die Geburtsstätte Martin Luther Kings oder das Coca-Cola-Museum. Atlantas Flughafen hat den weltweit größten Passagierumschlag und bietet zahlreichen nationale und internationale Flugverbindungen an. In den Semesterferien oder an langen Wochenenden kann man mit geringem Aufwand viele spannende Reiseziele auswählen, wie etwas Charleston in South Carolina oder New Orleans in Louisiana.

Bewerbungsverfahren und Stipendien

Bei Interesse sollte man das Bewerbungsverfahren so früh wie möglich beginnen. Neben den akademischen Voraussetzungen wie Transcripts von den deutschen Universitäten, ein Motivationsschreiben, einem Sprachtest u.a. sollte man einige Zeit für das Visumsverfahren einplanen. Für den Studienaufenthalt in den USA ist ein Studentenvisum erforderlich.

Insgesamt werden an der UGA Law School ca. 20 Studenten in einem selektiven Verfahren ausgewählt. Frau Dr. Kagel hilft Bewerbern in allen Bereichen des Bewerbungsprozesses und während des Studienaufenthalts in Athens.  

Die UGA vergibt unterschiedliche Stipendien, die von reduzierten Studiengebühren bis hin zu einem Vollstipendium kombiniert mit einer Tätigkeit an einem Lehrstuhl reichen. Mir wurde ein Vollstipendium gewährt und ich habe für zwei Steuerrechtsprofessoren an der UGA als Graduate Assistent arbeiten dürfen. Die Tätigkeit war sehr interessant und lehrreich.

Studium

Das LL.M.-Studium an der UGA ist für deutsche Studenten in vielerlei Hinsicht eine bereichernde Erfahrung. Anders als das deutsche Jurastudium ist die US-amerikanische Juristenausbildung deutlich verschulter und auf den individuellen Studenten ausgelegt. Professoren wenden die sokratische Methode an und entwickeln Antworten zu Rechtsfragen im Wege von gezielten Fragestellungen. Anders als an vielen deutschen Universitäten pflegen Professoren einen regen Austausch mit Studenten und sind bereit, individuelle Fragen zu beantworten.

Das LL.M.-Programm ist recht frei gestaltbar und ermöglicht viele interessante Schwerpunktsetzungen. LL.M.-Studenten, die entweder schon in einem Fachbereich praktiziert haben und/oder im LL.M.-Studium einen Schwerpunkt setzen möchten, können unter vielen interessanten Kursen ihre Wahl treffen. Aufgrund meiner steuerrechtlichen Tätigkeit habe ich einen Kurs im Körperschaftsteuerrecht gewählt und so einen detaillierten Einblick in die Besteuerung von US-amerikanische Körperschaften gewinnen können.

Die Kurse verlangen Vor- und Nachbereitungen, sodass man zumeist einen vollen Alltag hat. Die meisten Kurse enden mit einer Abschlussklausur, die am Ende des Semesters in der Klausurenphase gestellt wird. Traditionell ist die Abschlussklausur die einzige Grundlage für die Benotung, wenngleich in manchen Kursen von diesem System abgewichen wird. LL.M.-Studenten haben mindestens einen separaten LL.M.-Kurs pro Semester. Zum einen werden LL.M.-Studenten in einem Grundlagenkurs der Aufbau und die Grundzüge des US-amerikanischen Rechtssystem und der Common-Law-Tradition nahegebracht. Zum anderen ist ein Legal-Writing-Kurs Bestandteil des Curriculums, in dem LL.M.-Studenten das Erstellen juristischer Dokumente und in praktischen Übungen die Herangehensweise im US-amerikanischen Common Law erlernen. Die Kurse sind sehr hilfreich und ein nützlicher Bestandteil der Ausbildung.

Aus meiner persönlichen Erfahrung möchte ich noch hinzufügen, dass die US-amerikanischen Studenten sehr an ausländischen Studenten interessiert sind und LL.M.-Studenten gerne in außerakademische Aktivitäten integrieren. Zahlreiche Studentenorganisationen, wie beispielsweise fachspezifische, politische oder religiöse Organisationen bieten eine weitere Möglichkeit, sich mit lokalen Jurastudenten zu vernetzen. Selbst in Zeiten von Corona hat man so die Möglichkeit, mit US-amerikanischen Studenten Freundschaften zu knüpfen.

Ich habe an der UGA viele interessante Menschen kennenlernen dürfen und werde diese Kontakte weiterhin pflegen.

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