Back to the roots – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Miami School of Law (2018)
Im Sommer 2018 bin ich ganz nach dem Motto „back to the roots“ für mein LL.M.-Studium an die University of Miami School of Law in Florida zurückgekehrt, nachdem ich dort bereits im Jahr 2014 ein Auslandssemester verbracht hatte. Sowohl persönlich als auch akademisch (und zugegebenermaßen auch wettertechnisch) war das die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können.
Inhalt
Bewerbungsverfahren und Finanzierung
Ein richtiges Bewerbungsverfahren musste ich gar nicht erst durchlaufen. Die Law School hatte nämlich bereits während des Auslandssemesters viel Werbung dafür betrieben, dass man sich alle erworbenen Credits auf ein späteres LL.M.-Studium anrechnen lassen und somit den LL.M.-Abschluss nach nur einem weiteren Semester erwerben könne.
Diese Chance habe ich mir nicht entgehen lassen. Die Verkürzung des LL.M.-Studiums hatte auch nicht unerhebliche finanzielle Auswirkungen: Mir wurde von vornherein die Hälfte der Studiengebühren erlassen – so standen zunächst etwa $ 27.500 (statt $ 55.000) im Raum. Dabei ist es jedoch nicht geblieben. Gerade weil die ganz überwiegende Anzahl der anderen Studentinnen und Studenten aus Mittel- und Südamerika stammt (hierzu sogleich mehr) und die Law School auch andere Nationalitäten repräsentiert haben möchte, hat man als Europäerin eine gute Verhandlungsbasis. Wir haben uns letztlich auf $ 17.500 geeinigt.
Zudem habe ich mich bei etlichen kleineren Stipendien beworben und zwei davon tatsächlich erhalten – zum einen das Clifford Chance LL.M.-Reisestipendium in Höhe von damals 5.000 € und zum anderen ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung in derselben Höhe. So konnte ich das LL.M.-Studium finanziell mehr als passabel stemmen.
Miami – „The Capital of Latin America“
Es ist eine großartige Erfahrung, in Miami zu wohnen – einem lebendigen Ort voller kultureller und ethnischer Vielfalt. Der aufgrund der geographischen Lage immense mittel- und südamerikanische Einfluss ist überall zu spüren – Spanisch ist und bleibt die dominante Sprache. Aus meinem LL.M.-Jahrgang kamen geschätzt mehr als 80 % der Studentinnen und Studenten aus Mittel- oder Südamerika und nur wenige aus Europa. Es war jedoch sehr bereichernd, mal eine Exotin zu sein und mehr über die Kultur und politischen Hintergründe der anderen Länder zu erfahren. Auch kann ich nicht oft genug betonen, dass Miami nicht nur aus dem sehr touristischen Miami Beach besteht. Ganz im Gegenteil gibt es viele komplett unterschiedliche Stadtteile. Man muss dabei immer vorsichtig sein – nicht selten liegen schöne und belebte Straßen direkt neben Armutsvierteln und ehe man sich versieht, befindet man sich mittendrin. Der öffentliche Nahverkehr ist im Vergleich zu deutschen Standards sehr schlecht. Vor allem nachts braucht man deshalb Alternativen, die man mit Uber und Lyft aber zum Glück sehr leicht (und extrem günstig) finden kann.
Grundsätzlich ist der Ruf Floridas als „Sunshine State“ mehr als gerechtfertigt. Es tut der Seele einfach unglaublich gut, jeden Tag mit strahlendem Sonnenschein und wohligen Temperaturen geweckt zu werden. Zugegebenermaßen ist es extrem schwül, aber man gewöhnt sich schnell daran. Zudem sollte man stets einen Regenschirm griffbereit haben. Aufgrund des tropischen Klimas können selbst an den scheinbar schönsten Tagen innerhalb von Minuten riesige dunkle Wolkenfelder aufziehen. Es schüttet dann für 5 bis 10 Minuten wie aus Eimern. Oftmals gewittert es zugleich sehr stark. Wenige Minuten danach ist wieder kein Wölkchen am Himmel zu sehen und es scheint so, als wäre nie etwas geschehen.
Ich habe bei meinem ersten Aufenthalt in der Nähe des Campus in einer WG mit den anderen deutschen Austauschstudentinnen in dem sehr zu empfehlenden Wohnkomplex „Valencia“ gewohnt. Dort leben fast ausschließlich (auch amerikanische) Studentinnen und Studenten aller Fakultäten und es ist eine wirklich schöne Anlage mit Pool und kleinem Gym. Wir haben zu viert für 3 Zimmer (ca. 100 qm) $ 3.200 an Miete gezahlt. Bei meinem zweiten Aufenthalt gab es dort leider keine freie Wohnung. Allgemein war kaum etwas (Bezahlbares) zu finden. Nach mehreren mittleren Lebenskrisen habe ich schließlich über Craigslist (eine Website, die grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen ist) ein kleines Zimmer in einer umgebauten fensterlosen Garage bei einer netten kubanischen Dame für schlappe $ 800 monatlich gefunden. Die Lage (10 Minuten mit dem Rad zum Campus), Gastfreundschaft und das leckere kubanische Essen haben die fehlenden Fenster für die wenigen Monate durchaus kompensieren können; noch einmal dort wohnen würde ich aber wohl eher nicht.
Allgemein sind die Lebenshaltungskosten in Miami sehr hoch. Lebensmittel sind sehr teuer. Hier kann man sich gut dadurch behelfen, an den täglich diversen Lunchveranstaltungen der Law School teilzunehmen, bei denen es immer – sogar relativ abwechslungsreiches – free food gibt.
Campusleben
„It’s great to be a Miami Hurricane!“ – Diesen Slogan bekommt man bei jeglichen Events zu hören – und er fasst den Uni Spirit zusammen, der auf dem ganzen Campus auch an ganz normalen Tagen zu spüren ist: Überall sieht man Studentinnen und Studenten, die in orange und grün gekleidet sind und so mit Stolz die Universitätsfarben präsentieren. Daran hatte sich auch vier Jahre nach meinem vorherigen Aufenthalt nichts geändert. Die Universität gibt sich dabei größte Mühe, den Spirit durch verschiedenste Veranstaltungen zu fördern. Dazu zählen etwa das Zusammentrommeln aller Studentinnen und Studenten samt Cheerleader, Blaskapelle, Maskottchen und Ansprache des Präsidenten vor wichtigen Footballspielen (sogenannte „Pep Rally“) und das gemeinsame Besuchen der Footballspiele selbst (Stichwort „tailgating“). Auch die Homecoming-Woche, in der Ehemalige auf den Campus zurückkehren, wird mit mehreren Events ausgiebig gefeiert. Hervorzuheben sind darüber hinaus die mehrmals im Semester stattfindenden abendlichen Veranstaltungen, die jeweils nach einem Thema ausgerichtet werden und dann dazu passend diverse Aktivitäten angeboten werden („Canes After Dark“).
Der Campus der juristischen Fakultät befindet sich im Norden des Uni-Campus und wird auch „The Bricks“ genannt. An der Lage besonders hervorzuheben ist, dass die Law School nicht wie oftmals üblich separiert ist, sondern auf dem Main Campus liegt. Dadurch ist man viel mehr in das soeben beschriebene amerikanische College-Leben integriert. An vielen anderen Law Schools in den USA kann man das in der Form nicht erleben.
Kurse
Das Studium an einer amerikanischen Law School unterscheidet sich bekanntermaßen aufgrund der „sokratischen Methode“ extrem von dem an einer deutschen juristischen Fakultät: Anders als in Deutschland basiert der amerikanische Ansatz darauf, dass man den Stoff vorbereitet und es während der Einheit nur noch darum geht, den Inhalt mit dem Professor und den Kommilitoninnen und Kommilitonen zu diskutieren. Während meines Auslandssemesters war ich damals anfangs ziemlich überrumpelt, weil die Masse an Lesestoff für jeden Kurs sehr hoch ist: Man muss im Durchschnitt 60–80 Seiten pro Kurs und Tag aus dicken Lehrbüchern vorbereiten, die nicht gerade in einfachstem Englisch geschrieben werden. Jedoch war ich das zweite Mal deutlich entspannter, da ich von meinem ersten Besuch noch wusste, dass es in Klausuren letztlich (wie in Deutschland) nicht darauf ankommt, jedes Detail zu kennen, sondern das Wesentliche zu verinnerlichen, weshalb sich niemand vor der zuerst erdrückend scheinenden Lesemenge fürchten sollte.
Zudem ist es wichtig zu wissen, dass für jeden Kurs an der Law School eine strikte Anwesenheitspflicht herrscht und die Kursgröße je nach Kursart zwischen 15 und 50 Studenten liegt. Dies eignet sich deutlich besser für einen interaktiven Lehrstil als die viel stärker besuchten Vorlesungen an deutschen Fakultäten. Zudem dauert ein Kurs zwischen 110 und 170 Minuten, von denen – wenn man Glück mit dem Professor hat – 10 Minuten Pause sind. Auch die Bibliothek in Miami ist ein kulturelles Erlebnis: Es ist völlig normal, dass Studenten über Kopfhörer für die Außenwelt hörbare Musik genießen, sich laut grüßen und essen.
Die Wahl des „General LL.M. in US & Transnational Law for Foreign-Trained Lawyers“ fiel mehr sehr leicht, da es mir wichtig war, meine Kurse frei wählen zu können. Mir kam es dabei insbesondere darauf an, eine breite Palette an Rechtsgebieten abzudecken und mich auf Themen zu fokussieren, die inhaltlich oder in der speziell im Kurs gelehrten Form US-spezifische Besonderheiten aufweisen. Auch habe ich bewusst vier short courses und drei reguläre Kurse gewählt. Dies hatte den Vorteil, dass ich mehrere Kurse schon während des Semesters beenden konnte und daher am Ende in der richtigen Prüfungsphase nur noch drei Klausuren zu schreiben hatte. Ich habe letztlich folgende Kurse im Umfang von 13 Credits belegt, mit denen ich die 11 noch aus meinem Auslandssemester stammenden Credits vervollständigen konnte: Introduction to US Litigation, Substantive Criminal Law, Employment Discrimination, The Language of Habeas, Basic Concepts in International Arbitration, Professional Responsibility und Negotiation Skills. Alle diese Kurse haben mir ganz neue Perspektiven vermittelt, die für meinen juristischen Werdegang sehr wertvoll geworden sind und auch zukünftig sein werden.
Fazit
Ich habe mit meinem LL.M.-Semester ein weiteres unvergessliches Semester an der University of Miami School of Law verbracht – in jeglicher Hinsicht war es absolut richtig, wieder nach Miami zu gehen. Gekrönt wurde der Abschluss durch die überwältigende Graduation Ceremony. Es lief ab wie im Film und es ist einfach ein tolles Gefühl, von der Universität für den Abschluss gefeiert zu werden, während man sich in Deutschland sein Abschlusszeugnis meist oft einfach still und leise im Sekretariat abholt. Ich kann diese Universität insgesamt nur empfehlen: traumhafte Umgebung, amerikanisches Campusleben, sehr gute Bildung. Ich blicke dankbar auf insgesamt zwei grandiose Semester zurück und werde mich der University of Miami School of Law immer verbunden fühlen.
It’s still great to be a Miami Hurricane!
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