Ein Geheimtipp in Gelb und Blau – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Michigan Law School (2016/2017)

Veröffentlicht am 26.7.2022

Dr. Hannah Canny, LL.M. (Univ. of Michigan)

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, New York

„Warum machen Sie den LL.M. denn nicht in den USA?“ fragte mich mein Doktorvater fast beiläufig, als ich nach geeigneten Studienorten in Europa suchte. Die Entscheidung für die USA und Michigan habe ich nicht nur nie bereut; sie war sicherlich fachlich, vor allem aber persönlich ein echter game changer.

Inhalt

Go Blue! – Gründe für die Wahl der Law School

Die University of Michigan in Ann Arbor sollte bei allen zukünftigen LL.M.-Studentinnen und -Studenten ganz oben auf der Wunschliste stehen, weil sie ein wahrer hidden gem im Mittleren Westen der USA ist.

Was zunächst für die Wahl der Law School spricht, ist die Anzahl der zukünftigen LL.M.-Mitstudentinnen und -studenten. Das LL.M.-Programm der University of Michigan ist vergleichsweise klein; im Jahr 2016/2017 bestand es aus nur etwa 40 Studierenden aus aller Welt. Das hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass man jede Person aus dem Programm näher kennenlernen kann und einen intensiven kulturellen und sprachlichen Austausch erfährt.

Aber auch das akademische Angebot der Universität wäre für sich genommen Grund genug, sich für die University of Michigan zu entscheiden. Die Professorinnen und Professoren, die ich in den von mir gewählten Vorlesungen erleben durfte, haben durchweg einen hohen akademischen Anspruch, verleihen der Lehre jedoch gerade das richtige Maß an Leichtigkeit.

Für mich war es in diesem Kontext auch ausschlaggebend, dass an der Universität ein deutscher Professor unterrichtet, der durch seine Kenntnisse sowohl im deutschen als auch im US-Recht seine Vorlesung zu einer ungemein bereichernden Erfahrung zu machen versteht. Professor Reimann lehrt unter anderem International Litigation. Dies war für mich besonders spannend, weil meine Dissertation sich mit dem Internationalen Privatrecht befasst. Aber auch jenseits von Jurisdiction und Choice of Law sind Professor Reimanns Vorlesungen aufgrund seiner Erläuterungskünste US-amerikanischer Konzepte mithilfe deutscher Systematik uneingeschränkt zu empfehlen.

Das LL.M.-Studium in Michigan ermöglicht es schließlich, eine Gegend zu erleben, die man sonst wahrscheinlich eher nicht kennenlernen würde. Im Laufe seines Lebens besucht man wahrscheinlich eher einmal New York, Los Angeles oder Washington, D.C. – warum sich also nicht für eine typisch amerikanische Erfahrung an einer der besten öffentlichen Universitäten der USA entscheiden?

Eingang zum Reading Room
Eingang zum Reading Room

Bewerbungsverfahren

Das Bewerbungsverfahren stellte keine größere Hürde dar, nachdem alle Unterlagen beisammen waren. Dies jedoch sollte man nicht unterschätzen – insbesondere um die Empfehlungsschreiben und den gegebenenfalls erforderlichen TOEFL-Test sollte man sich frühzeitig kümmern. Die University of Michigan nimmt wie die meisten Universitäten an dem zentralen Bewerbungssystem LSAC teil, über das man online seine Bewerbung einreichen kann. Eine Liste der erforderlichen Bewerbungsunterlagen findet sich auf der Homepage der Universität.

Finanzierung

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, den LL.M. zu finanzieren. Es ist sinnvoll, sich mindestens ein Jahr vor Beginn des geplanten LL.M.-Studiums um Stipendien zu bemühen. Diverse Kanzleien in Deutschland bieten LL.M.-Stipendien in unterschiedlicher Höhe an. Auch der DAAD unterstützt beispielsweise das Vorhaben des LL.M.-Studiums bei einer erfolgreichen Bewerbung. Die Universität selbst vergibt schließlich Stipendien, insbesondere das Michigan Grotius Fellowship, das unterschiedlich hoch ausfallen kann. Eine gute Alternative ist auch die Finanzierung über Brain Capital.

Studium und Law School

Das Schöne am Studium in Michigan ist, dass die LL.M.-Studentinnen und -Studenten in die Gruppe der regulären Studentinnen und Studenten (J.D.s), integriert sind. Es gibt nur wenige Vorlesungen, in denen ausschließlich LL.M.-Mitstudentinnen und -studenten sitzen; auf diese Weise erlebt man das Studium fast aus Sicht eines/einer J.D.-Studenten/Studentin, was auch manchmal herausfordernd sein kann. Denn die Professorinnen und Professoren unterscheiden nicht zwischen LL.M. und J.D., wenn es darum geht, Verständnis zu überprüfen oder Argumente abzuwägen. Ich kann allen zukünftigen LL.M.-Studentinnen und -Studenten in diesem Zusammenhang nur ans Herz legen, spontan und freimütig Antwort zu geben. Eine der wunderbaren Eigenheiten der amerikanischen Kultur ist es meiner Erfahrung nach, dass jedwede persönliche Interaktion in einer Weise ablaufen kann, die für alle Beteiligten angenehm ist.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch Professor Khanna und seine Vorlesung zum Gesellschaftsrecht. Um uns für die anstehende Klausur Mut zu machen, hat er ein Mixtape erstellt, das er am Ende der Vorlesung im Hörsaal abgespielt hat und zu dessen Liedern er an bestimmten Stellen mitgesungen hat – die Heiterkeit im Saal hat die bevorstehende Prüfung in die richtige Perspektive gerückt. Solcher Momente gibt es in Michigan mehr als man denkt – und sie machen das Studium dort ganz besonders.

Es wird vorausgesetzt, dass die Studentinnen und Studenten sich auf jede Vorlesung vorbereiten, indem sie sich in die jeweilige Thematik einlesen. Diese „Hausaufgaben“ können mitunter einen erheblichen Umfang erreichen, weshalb man genug Zeit fürs Nacharbeiten und Lesen einplanen sollte. Der wunderschöne Reading Room erinnert an Hogwarts, was der Vorbereitung auf die Vorlesungen sogar eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Auch ein Gang durch den traumhaften Law Quad, den Innenhof der Uni, gibt jedes Mal neue Energie.

Der Reading Room
Der Reading Room

Zu empfehlen sind auch die sogenannten Mini-Seminare, in denen man sich Themen widmet, die oft recht weit abseits vom klassischen juristischen Curriculum stehen – sei es „Bollywood & Law“ oder „Lawyers are smart – why are they unhappy?“. Die Professorinnen und Professoren halten diese Seminare in ihrem Haus ab und oft ist die Teilnehmerzahl auf nicht mehr als etwa zehn Personen begrenzt. In diesem Rahmen kann man die Lehrenden näher kennenlernen und sich auch mal über Nichtjuristisches austauschen. Aber vor allem bieten diese Seminare die einzigartige Gelegenheit, die ProfessorInnen und MitstudentInnen von einer kreativen Seite kennenzulernen und mehr über ihre Interessen zu erfahren. Das führt oft dazu, dass man Freundschaften über den „LL.M.-Tellerrand“ hinaus knüpft und sich wirklich als Teil der Michigan-Gemeinschaft begreift.

Während des Studiums habe im sogenannten Lawyers Club auf dem Campus gewohnt, was ich uneingeschränkt empfehlen kann. Man lernt dort und durch die inbegriffene Teilnahme an den Mensamahlzeiten viele Leute kennen und hat einen angenehm kurzen Weg zu den Vorlesungen, was gerade im recht langen Winter in Ann Arbor von Vorteil ist.

Der Law Quad und der Lawyers Club
Der Law Quad und der Lawyers Club

Stadt

Ann Arbor ist eine typische amerikanische College Town im besten Sinne des Wortes. Man erlebt mit Sicherheit die ein oder andere Party der Undergrads (vergleichbar mit Bachelorstudentinnen und -studenten) und hat jeden Tag Teil an der positiven Energie, die solche und ähnliche Zusammenkünfte von Studentinnen und Studenten aller Senioritäten mit sich bringt. An Heimspieltagen der Michigan Wolverines ist die gesamte Stadt in Gelb und Blau (Maize and Blue) dekoriert. Man muss fraglos einmal im sogenannten Big House, dem Stadium der College-Football-Mannschaft (und größten Stadion der USA mit über 100.000 Plätzen) gewesen sein. Die atemberaubende Atmosphäre kann mit Worten oder Bildern nicht ansatzweise wiedergegeben werden.

Heimspiel der Michigan Wolverines im Big House
Heimspiel der Michigan Wolverines im Big House

In Ann Arbor ist alles fußläufig bestens erreichbar. Man ist schnell in Supermärkten, Bars, Cafés, Restaurants und allen sonstigen Geschäften. Es gibt jedoch auch außerhalb der Stadt genug zu tun. Wochenendausflüge etwa zu den Sleeping Bear Dunes, zum Lake Michigan oder Lake Huron sowie nach Detroit, Toronto und den Niagarafällen waren sehr beliebt bei den LL.M.-Studentinnen und -Studenten. Manche sind sogar so weit gefahren, dass sie die Polarlichter sehen konnten. Möglich ist es aber auch, einfach in das nahegelegene Ann Arbor Arboretum zu gehen und dort einen ausgiebigen Spaziergang inmitten der Natur zu machen. Es gab für mich – neben dem fantastischen Fitnessangebot der Uni – keine bessere Form der Erholung vom Studienalltag.

Niagarafälle
Niagarafälle

Persönliches Fazit

Die University of Michigan lockt mit einem großartigen akademischen Ruf, einem kleinen und intensiven LL.M.-Programm und einem innigen Gemeinschaftsgefühl – auf dem Campus und (weit) darüber hinaus. Sie entlässt ihre Graduates mit dem Eindruck, etwas Magischem beigewohnt und einen Einblick in das gewisse Etwas erhascht zu haben, das das amerikanische Studieren, Diskutieren und Leben besonders macht – ein Etwas, das ein Erfahrungsbericht leider nur andeuten kann. Wherever you go: Go Blue!

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