Tax LL.M. mit Überschneidung zum Referendariat und „lohnt sich“ ein LL.M. überhaupt?
Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der New York University School of Law (2024/2025)
Liebe zukünftige LL.M.-Studierende,
da es eine Vielzahl an tollen Erfahrungsberichten zu den diversen Universitäten, dem Leben in den jeweiligen Städten und den unzähligen tollen Programmen gibt (zur NYU etwa von Justin Samek), möchte ich meinen Bericht auf zwei Besonderheiten meines LL.M.-Jahres konzentrieren und zu dem „Nutzen“ eines LL.M. Stellung nehmen.
Inhalt
Ich habe meinen LL.M. in den letzten Wochen meiner Wahlstation begonnen
Nach meinem Ersten Staatsexamen habe ich zunächst promoviert, weil mich das Steuerrecht fachlich begeistert hat. Im Anschluss an diesen Ausflug in eine juristische Sonderdisziplin hatte ich das Bedürfnis, zunächst den Pflichtteil der juristischen Ausbildung mit dem Zweiten Staatsexamen abzuschließen. Nach ungefähr einem Jahr im Referendariat keimte eine lang gehegte Idee, einen LL.M. zu absolvieren, wieder auf, da ich das Gefühl hatte, andernfalls zu sehr auf das deutsche Recht fokussiert zu sein. Also entschied ich mich dazu, mich im Sommer 2023 auf den TOEFL-Test vorzubereiten (ich habe englische Bücher gelesen und englische Podcasts gehört, keine gezielte Vorbereitung mit TOEFL-Unterlagen) und abhängig von meinem Abschneiden das Unterfangen LL.M.-Studium ernster zu betreiben. Weil der TOEFL gut lief, musste ich mich dann damit auseinandersetzen, wann ich den LL.M. absolvieren möchte. Auch wenn es steuerlich attraktiv ist, vor dem LL.M. in Vollzeit zu arbeiten, fühlte ich den inneren Wunsch, meine Ausbildung nahtlos abzuschließen. Daher entschied ich mich, meine Wahlstation in New York zu absolvieren und idealiter, meinen LL.M. gleich im Anschluss daran. Das Timing meines Referendariats ließ es dabei zu, dass ich im Juni, Juli und August in der Wahlstation war und dann Ende August in den LL.M. startete. Der Nachteil daran war, dass ich im September nochmal nach Deutschland fliegen musste, um die mündliche Prüfung zu absolvieren.
Das erhöhte natürlich den Druck für die Klausuren im Zweiten Staatsexamen, weil ein zweiter Versuch sehr unpraktisch gewesen wäre und es erforderte außerdem große Disziplin, mich im September parallel im LL.M. zu akklimatisieren sowie zeitgleich für die mündliche Prüfung zu lernen. Ich kann diesen Weg daher nur eingeschränkt für diejenigen unter Euch empfehlen, die zum einen eine gewisse Risikoaffinität mitbringen und zum anderen bereit sind, einen Monat eine Doppelbelastung in Kauf zu nehmen. Für mich war das eine gute Entscheidung, weil ich so mein Ziel, den LL.M. direkt an meine Ausbildung anzuschließen, erreichen konnte. Ich muss aber gestehen, dass ich jedenfalls die Doppelbelastung unterschätzt habe und den September als sehr anstrengend empfand, in dem alle Kommilitonen eine aufregende Zeit in New York hatten, während ich früh morgens bis spät abends gelernt habe.

Mein LL.M.-Programm war nicht für mich gedacht
Stark von meiner Mutter, die Ökonomin ist, geprägt, hatte ich schon immer eine Affinität zu Zahlen. Da diese im Jurastudium abseits der (m.E. bedauerlicherweise) omnipräsenten Notenskala nicht sehr im Fokus stehen, suchte ich schon früh Zuflucht im Steuerrecht. Hier fühlte ich mich von Beginn an wohl und wurde auch zuhause im Familienkreis wieder mehr akzeptiert, da Steuern für Ökonomen etwas greifbarer sind als etwa das Deliktsrecht. Nachdem ich mich für meine Dissertation drei Jahre nur mit dem Steuerrecht beschäftigen durfte, war es für mich interessant, das auch wieder im LL.M. zu tun. Die einschlägigen Programme waren schnell identifiziert: NYU und Georgetown sind für einen Tax LL.M. die Platzhirsche. Nach meiner Wahrnehmung sind beide Programme international sehr anerkannt, wenngleich die NYU womöglich noch etwas bekannter ist (ich bin aber natürlich jetzt auch etwas biased und ich habe in New York auch exzellente Steuerrechtler von Georgetown kennengelernt!). Da ich meine Wahlstation mit der zu der Zeit gerade neu fusionierten Kanzlei A&O Shearman LLP in New York absolvieren durfte und ich aus Urlauben großer Fan der Stadt war, hatte New York für mich eine besondere Anziehungskraft. Der Tax LL.M. an der NYU war daher früh mein favorisiertes Programm.
Ich möchte hier aber nicht unterschlagen, dass ich mich auch mit der Möglichkeit beschäftigt habe, einen regulären LL.M. zu absolvieren und in diesem einfach einen eigenen kleinen Schwerpunkt auf das U.S.-amerikanische Steuerrecht zu legen. So hatte mich besonders die Möglichkeit an der Columbia Law School interessiert, mein eigenes Curriculum zusammenzustellen. Als mich die Zusage der CLS vor der der NYU erreichte, stand ich vor einer sehr schweren Entscheidung. Ich habe mich mit Alumni beider Schulen über LinkedIn vernetzt und über meine Entscheidung ausgetauscht. Beide Programme bieten die Möglichkeit, sich vertieft mit dem U.S.-Steuerrecht zu beschäftigen. Für mich waren letztlich zwei Dinge ausschlaggebend: Der besondere Fokus der NYU auf das Steuerrecht und die örtliche Lage des Campus in der Stadt.
Quintessenz meiner Gespräche mit vielen Alumni beider Programme war, dass ein spezialisiertes Programm der richtige Schritt ist, wenn man sich schon vor Antritt des LL.M. sicher ist, seine Zukunft im Steuerrecht zu sehen. Wenn man hingegen noch etwas offener ist, passt vielleicht ein generelleres Programm besser. Außerdem liegt die NYU etwas günstiger, um Manhattan zu erkunden. So offensichtlich sich das auch lesen mag, Ihr werdet in Eurem Entscheidungsprozess vermutlich auch bemerken, dass man so viele unterschiedliche rationale und emotionale Argumente gleichzeitig im Kopf hat, dass es schwierig sein kann, die Entscheidung klar zu treffen.

Die NYU bietet zwei unterschiedliche Programme im Steuerrecht an: Das allgemeine Graduate Tax Program (GTP), das an U.S.-amerikanische J.D.-Absolventen gerichtet ist, und das International Tax Program (ITP), das für ausländische Anwälte, teilweise bereits mit etwas Berufserfahrung, vorgesehen ist. Nach dieser Einleitung mag es etwas komisch klingen, aber ich habe mich für das Graduate Tax Program entschieden. Es drängt sich die Frage auf: Wieso ein Programm wählen, das sich eigentlich an eine andere Zielgruppe richtet?
Das Graduate Tax Program der NYU wurde 1945 ins Leben gerufen und ist seitdem der Goldstandard für die Ausbildung im U.S.-Steuerrecht. Ein großer Teil der Partner, die ich bei A&O Shearman im New Yorker Büro getroffen habe, ebenso wie eine Vielzahl an Richtern des amerikanischen Finanzgerichts, haben dieses Programm durchlaufen. Es zieht die namhaftesten Professoren der Disziplin an die Law School und auch Gastredner von anderen bekannten Law Schools kommen gerne an die NYU, um hier in einem der mehr als 50 verschiedenen Steuerrechtskursen zu lehren. Das Graduate Tax Program ist in meinen Augen das akademische Epizentrum des U.S.-Steuerrechts.
Neben all diesen Punkten, die vermutlich in ähnlichem, aber etwas abgeschwächten Umfang, auch für das International Tax Program gelten, sprach für das Graduate Tax Program in meinen Augen die Möglichkeit, mit den U.S.-Kommilitonen zu studieren. Ich hatte immer wieder von befreundeten LL.M.-Absolventen gehört, dass sie kaum Kontakt mit ihren amerikanischen Kommilitonen hatten. Das erschien mir bedauerlich, entschied ich mich doch gerade für ein Studium in den Vereinigten Staaten, um die Menschen dort und ihre Kultur kennenzulernen. Außerdem eröffnete mir meine Recherche zu den Programmen, dass das International Tax Program ein überwiegend festes Curriculum hat, ich also meine Kurse nicht frei wählen hätte können. Im Graduate Tax Program standen mir hingegen alle der 50 verschiedenen Tax Courses offen sowie die Möglichkeit, wenn ich denn wollte, bis zu vier meiner mindestens 24 Credits auch mit Kursen außerhalb des Steuerrechts zu belegen.
Das International Tax Program bietet aber auch Vorzüge: So finden sich dort ausländische Studierende, die ebenfalls in einer anderen Jurisdiktion ausgebildet sind und nun gemeinsam das U.S. Steuerrecht kennenlernen. Ihr Programm greift dabei grundsätzlich auf die gleiche, herausragende Tax Faculty zurück, auch wenn ich teilweise das Gefühl hatte, dass die Professoren in erster Linie ihre Fächer für das Graduate Tax Program anbieten und dann, wenn noch Kapazitäten bleiben, im International Tax Program auffüllen. Allerdings hat das ITP auch designierte Professoren, die überwiegend für ihre Kurse verantwortlich sind. Zudem sind die ITP-Studenten typischerweise eine kleinere Gruppe, die dadurch untereinander zumeist eine engere Beziehung aufbauen als das im Graduate Tax Program automatisch passiert. Ich kann aber aus Erfahrung sagen, dass es auch dort möglich ist, enge Freundschaften zu knüpfen.

Ein LL.M. „lohnt sich nicht“
Ich bekomme aus meinem Umfeld und von LL.M.-Interessenten oft die Frage gestellt, ob sich ein LL.M. „lohnen“ würde. Daher möchte ich dieses Forum auch nutzen, einmal dazu Stellung zu beziehen.
Es liegt nahe, diese Frage aus einer rein finanziellen Perspektive zu beleuchten. In diesem Fall gebietet es die kaufmännische Vorsicht, allein kalkulierbare Größen zu betrachten. Dann ist die Antwort eindeutig ein Nein. Kaum noch Kanzleien zahlen einen Bonus für den LL.M.-Titel und wenn, ist die Summe so gering, dass die Opportunitätskosten (ein Jahr weniger arbeiten) und die Kosten für das Jahr selbst, einen nahezu unaufholbaren finanziellen Nachteil darstellen.
Allerdings gehört zur Wahrheit meines Erachtens auch, dass eine solch enge Betrachtung naiv wäre. Eine berufliche Laufbahn besteht gerade nicht nur aus „harten Fakten“ und lässt daher auch keine einfache Berechnungen von Rendite zu. Beruflicher Erfolg basiert für mich auf mehr als reinen Noten, Berufserfahrung und finanzmathematisch „harten Fakten“. Es geht mindestens genau so sehr darum, sich zu einer interessanten Persönlichkeit zu entwickeln und in einem Feld, das einem Freude bereitet, zu etablieren. Dabei darf man ein (internationales) Netzwerk nicht unterschätzen. Das ist aber nur schwer in Zahlen zu fassen und wird diejenigen unter Euch, die eine klare Kalkulation wünschen, um die Frage „ob sich ein LL.M. lohnen wird“ beantwortet zu bekommen, nicht befriedigen können.
Darüber hinaus bin ich Freund des ganzheitlichen Denkens. Bei der Planung eines LL.M. geht es nicht nur um Eure berufliche Laufbahn, das eine isolierte Jahr oder akademische Erkenntnisgewinne. Es geht darum, Euch als Menschen (nicht nur Juristen) an dieser einmaligen Erfahrung zu bereichern. Geht in die Restaurants, die Ihr Zuhause nicht ausprobieren würdet, beteiligt Euch an Events, von denen Ihr noch nie gehört habt und macht Sport, den Ihr noch nie betrieben habt. Tut das alles mit Menschen, die Euch freundlich und interessant erscheinen. Dann wird sich der LL.M. für Euch ganz gewiss „lohnen“.

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