The perfect climate for studying law – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of San Diego School of Law (2019/2020)
Ich habe nach meinem ersten Staatsexamen ein 9-monatiges LL.M.-Studium an der University of San Diego (USD) in Kalifornien absolviert und möchte hier einige Eindrücke für Interessierte teilen.
Inhalt
Vorbereitung des Auslandsstudiums (Bewerbung, Kosten, Formalia)
Bewerbungsprozess, Visum, Krankenversicherung, andere Formalia
Die Vorbereitung des Aufenthaltes, insbesondere der Finanzierung, ist zweifellos der aufwendigste Schritt ins Ausland.
Als ersten Schritt kann man das Auslandsbüro der jeweiligen Law School ansprechen und im Idealfall – so war es jedenfalls bei mir – stellt diese Kontakt zu verschiedenen Alumni her, an die man sich wenden kann (ein Alumnus der USD hat sich mehr als eine Stunde Zeit für mich genommen, um mir sämtliche Fragen zu beantworten – Ihr könnt mich natürlich auch jederzeit über die Betreiber dieser Seite kontaktieren). Die Rücksprache mit Alumni kann ich in jedem Fall empfehlen.
Anschließend bewirbt man sich bei der jeweiligen Universität. Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei um eine bloße Formalität, da die amerikanischen Universitäten ein großes Interesse an deutschen Absolventen haben. Für die Bewerbung sollte man dennoch ausreichend Zeit einplanen, da diese sehr aufwendig ist. Hinzu kommen i.d.R. mindestens zwei Empfehlungsschreiben von Hochschullehrern. Auch wenn man während des Studiums weniger Kontakt mit Professoren hatte, kann man diese nach meiner Erfahrung gut ansprechen. Die gesamten Unterlagen müssen kosten- und zeitintensiv per Post nach Amerika gesendet werden, erst dann kann man sich über das zentrale Onlineportal LSAC an verschiedenen Law Schools bewerben (Direktbewerbungen sind i.d.R. nicht möglich). Diese Bewerbungen kosten pro Uni teilweise bis zu 100 $. Ich würde aber dennoch raten, sich an mehreren Universitäten zu bewerben (dazu sogleich).
Im Anschluss an eine Zusage der Uni bekommt man häufig „scholarships“ angeboten, die auf die Studiengebühren angerechnet werden – im Prinzip handelt es sich um einen Studiengebührenerlass. Hierbei lohnt es sich, nochmals zu verhandeln. Ich konnte etwa mein Stipendium um einige tausend Dollar erhöhen. Die Zusage anderer Law Schools stärkt dabei die eigene Verhandlungsposition, sodass sich die zusätzlichen Bewerbungsgebühren am Ende auszahlen. Hat man sich für eine Universität entschieden, schließt sich hier weitere Papierarbeit an, wie etwa das Ausfüllen weiterer Unterlagen für die Law School. Die entsprechenden Stellen der Gastuniversität helfen dabei aber gerne.
Im Übrigen habe ich meinen Aufenthalt nicht groß vorbereitet. Verträge (Miete, Handy etc.) würde ich jeweils vor Ort organisieren (dazu sogleich).
Für ausländische LL.M.-Studenten ist das F-1-Visum einschlägig. Das „F-1“ berechtigt zudem zum Aufenthalt von bis zu 30 Tagen nach dem Abschluss des LL.M.s – in dieser Zeit kann also noch gereist werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein sog. OPT-Programm (bis zu einem Jahr) im Anschluss an das Studium zu absolvieren und ein Jahr in Amerika zu arbeiten. Das Visum ist bei Einreise nur in Verbindung mit einem weiteren Formular der Universität, dem „I-20“, gültig. Grundsätzlich erlaubt das F-1-Visum nicht, neben dem Studium zu arbeiten. Hinsichtlich des Visumsantrages muss man auch ausreichend Zeit einplanen, da die Bearbeitung im Einzelfall bis zu zwei Monate dauern kann. Hierbei sollte noch erwähnt werden, dass der Visumsantrag „schwieriger“ aussieht als er tatsächlich ist. Unter anderem muss man nachweisen, dass man nicht auf Dauer in den Vereinigten Staaten bleiben möchte. In meinem Fall wurden hierzu aber keine Fragen gestellt.
Die Krankenversicherung war bei mir durch das DAAD-Stipendium im Rahmen einer Gruppenversicherung abgedeckt. Daher kann ich nicht beurteilen, wie sich die Suche nach geeigneten Krankenversicherungen in den USA bzw. deutschen Auslandskrankenversicherungen gestaltet. Hinweis: Kann man bei der USD keinen Versicherungsschutz vorweisen, versichert die Universität einen für etwa – soweit ich mich erinnere – 1.500 $ pro Semester.
Zahlungsverkehr, Miethöhe, allgemeine Lebenserhaltungskosten und LL.M.-Kosten
Heutzutage stellt sich der Zahlungsverkehr als unproblematisch dar. Man sollte sich aber ausreichend informieren, insbesondere lohnt es sich wegen der hohen Gebühren nicht, Geld mittels Banküberweisung von Europa nach Amerika zu transferieren. Ich habe alle Transaktionen mit einem Dienst namens TransferWise getätigt. Für die Versendung von 5.000 € zahlt man ca. 50 € Gebühr. Banken würden deutlich mehr berechnen. Tipp: Bei größeren Transaktionen (etwa bei Fälligkeit der Studiengebühren) kann es Sinn machen, den Dollar-/Euro-Kurs beobachten. Bei manchen Schwankungen lassen sich hier mehrere hundert Euro sparen.
Lokale Zahlungen in den Vereinigten Staaten werden entweder mit Debit Card (daher lohnt es sich, ein US-Konto zu eröffnen, etwa kostenlos bei der US Bank, die auch eine Filiale auf dem Campus der USD unterhält) oder mit Online-Zahlungsdiensten per App vorgenommen. Anders als in Deutschland wird in den USA kaum noch Bargeld verwendet. Die Amerikaner nutzen z.B. die App Venmo zur Abwicklung privater Zahlungen und diesen (kostenlosen) Dienst kann ich uneingeschränkt empfehlen. Telefonate in das deutsche Festnetz können für etwa 0,02 € pro Minute per Skype getätigt werden.
Die Zimmersuche in San Diego ist mäßig schwierig, die Mieten sind im Vergleich zu Europa höher. Ich würde die Suche nach einer Unterkunft komplett vor Ort durchführen – der Vorteil ist, dass man bereits die Stadt kennenlernt, erste Kontakte knüpft und insgesamt ein Gefühl für die verschiedenen Stadtteile, Entfernungen etc. bekommt. Der Nachteil ist, dass die Zimmersuche sich dann als sehr spontan und kostenintensiv herausstellen kann; in den ersten drei Tagen habe ich in daher ein Zimmer über Airbnb gemietet.
Verschiedene Wohnungsbörsen bieten sich zur Zimmersuche an, am aussichtsreichsten war aber Facebook. Darüber hinaus organisieren die Amerikaner viel über Craigslist (die App heißt CPlus for Craigslist). Für eine Wohnung in guter Lage zahlt man – wie in Kalifornien üblich – entsprechend hohe Mieten. Die Uni schlägt vor, 1.200 $ einzuplanen, was auch realistisch ist. Das heißt aber nicht, dass man mit entsprechenden Abstrichen bei Lage etc. kein Zimmer für 800 $ finden kann. Im Übrigen gibt es auch ein Wohnheim auf dem Campus, hierzu kann ich jedoch nichts sagen. Ich hatte Glück mit der Wohnung und habe zwei nette Kalifornier kennengelernt, die mir ein Zimmer in ihrer WG im bekannten und beliebten Stadtteil „Pacific Beach“ – inklusive Meerblick – zu einem leider nicht ganz billigen Preis untervermieten konnten.
Die Preise für Verpflegung sind ebenfalls entsprechend hoch. Man muss beim Einkaufen sehr genau schauen, denn die Preise sind häufig nicht nachvollziehbar (teilweise kostet ein halbes Kilogramm Eiscreme weniger als ein Bündel Bananen) und schwanken je nach Laden. Hier ist ein wenig Geschick gefragt. Häufig ist Auswärtsessen auch nicht teurer als selbst zu kochen – und die Amerikaner gehen sehr gerne essen und geben entsprechend viel hierfür aus.
Gesamtkosten und Finanzierungskonzept
Die Gesamtkosten für einen LL.M. an der USD sind hoch. Die meisten LL.M.-Studenten geben wohl insgesamt etwa 60.000 € aus, abhängig vom Dollarkurs. Teurer bzw. billiger kann es werden, wenn man den Lebensstandard hebt oder senkt (durch entsprechende Reisen, ein eigenes Auto, die Unterkunft etc.). Studiengebühren kann man als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Dennoch verbleiben Schwierigkeiten bei der Finanzierung: Viele LL.M. Studenten sparen vorab während einer Kanzleitätigkeit. So hat ein Studienkollege von mir vor seinem LL.M. einige Jahre als Anwalt in einer Großkanzlei gearbeitet und sich so den Auslandsaufenthalt finanziert.
Ich hatte das Glück, ein DAAD-Stipendium zu erhalten, was einen Großteil der Studiengebühren abdeckte und eine monatliche Unterhaltsbeihilfe enthielt. Außerdem vergeben manche Kanzleien kleinere „Reisestipendien“ (die leider auf das DAAD-Stipendium angerechnet werden). Die Universitäten haben auch Spielraum bei dem oben erwähnten Studiengebührenerlass. Eine Finanzierung mittels Bankkredits oder sog. umgekehrter Generationsverträge ist sehr schwer.
Studieninhalte, Kurswahl, Ablauf und Qualität der besuchten Veranstaltungen sowie Allgemeine Studienbedingungen an der USD
Studieninhalte und Kurswahl
Im ersten Semester nahm ich an den Kursen Introduction to U.S. Law, Legal Writing and Research for LLM-Students, Negotiation, International Contracts und Comparative Law teil. Im zweiten Semester besuchte ich International Migration Law and Policy, U.S. Constitutional Law I, International Environmental Law und International Arbitration.
Insgesamt muss man 25 Creditpunkte erarbeiten. Dabei kann man seinen Stundenplan sehr frei gestalten – die einzigen verpflichtenden Kurse für LL.M.-Studenten sind Introduction to U.S. Law und Legal Writing and Research. Man kann auch einen Schwerpunkt wählen (ich wählte International Law) und sich die einzelnen Kurse je nach Interesse zusammenstellen. Wenn man noch kein in Deutschland zugelassener Anwalt ist, aber das California Bar Exam ablegen möchte, muss man jedoch zwingend bestimmte Grundlagenkurse im US Law belegen.
Die Kurse waren spannend und haben insgesamt zu einem spürbaren Wissenszuwachs sowie zum Erlernen anderer Methoden (auch im Vergleich zur deutschen Methodik) geführt. Viele der Dozenten sind darüber hinaus Professoren anderer Universitäten (ich hatte auch britische oder argentinische Dozenten), sodass die Ausbildung sehr international ist. Für viele der besuchten Kurse musste man Papers, also Seminararbeiten, einreichen. So verfasste ich meine Abschlussarbeit beispielsweise in einer rechtsvergleichenden Analyse von europäischem und amerikanischem Flüchtlingsrecht.
Insgesamt bietet die USD viele interessante Kurse an und ich war sehr zufrieden. In Negotiation wurden etwa Praxisübungen mit den amerikanischen Studenten durchgeführt (Vertragsverhandlungen, Vergleiche, Mediationsübungen etc.). Im Kurs Comparative Law beschäftigten wir uns mit den Grundlagen der Methodik der Rechtsvergleichung und im Kurs U.S. Constitutional Law I studierte ich US-Verfassungsrecht, insbesondere den amerikanischen Staatsaufbau (Staatsorganisationsrecht).
Die Kurse ergänzten sich teilweise sehr gut, sodass ich Erkenntnisse übertragen und gleichzeitig mit dem Wissen, das ich im Studium der Rechtswissenschaften in Deutschland erlangt habe, vergleichen konnte. Kritisieren kann man wohl die amerikanische sehr formalistische und umständliche Zitierweise, wie sie das sog. Blue Book vorschreibt – eine Sammlung nicht immer nachvollziehbarer Regeln zur Arbeitsweise, die in der juristischen Praxis des amerikanischen Justizsystems von großer Bedeutung sind (Zitierfehler sollen wohl dazu führen können, dass bestimmte Richter Schriftsätze gar nicht erst lesen).
Ablauf und Qualität der besuchten Veranstaltungen
Bei der Größe der Veranstaltungen muss man differenzieren: Die Grundlagenveranstaltungen (in meinem Fall U.S. Constitutional Law I) sind bis maximal 60 Teilnehmer immer sehr voll, besucht man aber Veranstaltungen höherer Semester bzw. Schwerpunktveranstaltungen, liegt die Teilnehmerzahl regelmäßig zwischen zehn und zwanzig Studierenden. Dies wirkt sich auf das persönliche Verhältnis von Studierenden und Dozenten aus: Die Lehrenden schreiben persönliche Mails, führen nach der Vorlesung Gespräche mit den Studierenden und äußern regelmäßig, dass die Bürotür für jeden Studenten jederzeit offen stünde. Die Arbeitsatmosphäre war sehr angenehm.
Das Niveau war insgesamt hoch. Die Herangehensweise im Unterricht schwankt natürlich je nach Dozenten. Dies mag auch in der Natur des Case Law angelegt sein, welches von der Lektüre und Analyse einzelner Entscheidungen lebt. Entsprechend viel Zeit wird darauf verwendet, Urteile umfassend zu analysieren. Dabei wird häufig anhand der Socratic Method unterrichtet, einem „Frage-Antwort“-System zwischen Dozent und Studenten. Anhand der Socratic Method kann man sehr gut seine rhetorischen und argumentativen Fähigkeiten in einer Fremdsprache trainieren. Die sprachliche Komponente stellt daher aus meiner Sicht eine größere Bedeutung dar als etwa in Deutschland.
Entsprechend eloquent sind amerikanische Juristen. Wenn man bedenkt, wie Prozesse in den Vereinigten Staaten geführt werden, ergibt dies auch Sinn: Nicht nur juristische Feinheiten und saubere Argumente entscheiden den Fall, sondern auch die Gunst der Jury und daher die Überzeugungskraft des Anwalts, weswegen viel Energie in die Juryvorträge gesteckt wird.
Eine für mich sehr spannende Erkenntnis war die Tatsache, dass die Dozenten sich häufig auf die deutsche Rechtswissenschaft beziehen. In dem Kurs Comparative Law lasen wir beispielsweise nicht nur Auszüge von „Einführung in die Rechtsvergleichung“ (bzw. „An Introduction to Comparative Law“) von Zweigert und Kötz, dem Standardwerk der Rechtsvergleichung, sondern auch von Frankfurter Professoren wie Professor Frankenberg. In dem Kurs International Contracts wurden regelmäßig Urteile deutscher Gerichte analysiert und auch in dem Kurs Negotiation wurde teilweise auf zentraleuropäische Verhandlungsstrategien Bezug genommen. Insgesamt interessieren sich die Dozenten sehr für das deutsche Rechtssystem, sodass ich hierzu häufig in der Vorlesung gefragt wurde. Interessant war auch das Verständnis amerikanischer Juristen von der Europäischen Union und dem Brexit. Aus rechtsvergleichender Sicht spannend ist, wie amerikanische Juristen deutsche Urteile interpretieren – sowohl inhaltlich als auch methodisch. Hierbei ergeben sich regelmäßig sprachliche Herausforderungen und die englischen Übersetzungen deutscher Urteile sind nicht immer perfekt.
Allgemeine Studienbedingungen und Sonstiges
Die Studienbedingungen an der Hochschule sind insgesamt sehr gut. In meinem zweiten Semester war ich der einzige deutschsprachige Student der juristischen Fakultät, im vorherigen Semester waren wir zu zweit (dies war auch ein Grund – neben der Finanzierung – sich für die USD zu entscheiden). Sämtliches Universitätsleben fand für mich daher komplett auf Englisch statt. Ich hatte viel Kontakt zu amerikanischen J.D.-Studierenden und konnte auch lokale Freundschaften knüpfen. Die J.D.-Studenten sind in der Regel in einem ähnlichen Alter wie Absolventen des ersten Staatsexamens in Deutschland.
Im Übrigen ist die Universität und vor allem die Bibliothek sehr gut ausgestattet. Die Lehrbücher müssen hingegen häufig zu hohen Preisen gekauft werden (ich zahlte teilweise bis zu 200 $ pro Buch).
Die Universität und wohl amerikanische Universitäten im Allgemeinen bieten ein großes Freizeitangebot an: Es gibt regelmäßig Networking-Events mit Dozenten, dem Dekan, Studierenden und auch Kanzleien. Die Universität bietet Karriereberatungen und Lebensberatungen an (die Karriereberatung ist jedoch für LL.M.-Studenten nur begrenzt geeignet, da die Berater sich – verständlicherweise – vor allem im amerikanischen Markt auskennen). Darüber hinaus gibt es zwei Fitnessstudios, ein Footballstadium, ein Basketballstadium und regelmäßige Sportevents, die teilweise auch im Fernsehen übertragen werden (das Basketballteam der USD verliert jedoch regelmäßig).
Die amerikanischen Studierenden sind sehr engagiert und viele sind in sog. Law Societies tätig, schreiben für Journals oder absolvieren neben dem Studium Praktika in Kanzleien oder an Gerichten. Hier habe ich auch an verschiedenen Veranstaltungen und Vorträgen, unter anderem zur aktuellen Verfassungskrise im Rahmen des Brexits, teilgenommen.
Zum Ranking der USD: Die USD ist nicht so hoch gerankt wie eine Ivy-League-Universität und damit kein „global player“. Sie stellt jedoch regelmäßig die Führungspersonen in San Diego und teilweise auch in Kalifornien, hat also eher lokale bzw. regionale Bedeutung. In Amerika bedeutet dies, dass trotz guter Berufsaussichten die Absolventen der USD seltener in Großkanzleien unterkommen als etwa Absolventen der Ivy-League-Law-Schools. Inwieweit das Hochschulranking, das zu einem beträchtlichen Teil auf der geleisteten Forschung basiert (die den Studierenden aber letztlich nicht zugute kommt), in einer nachvollziehbaren Wechselwirkung mit der tatsächlichen Qualität der Lehre steht, ist wohl zweifelhaft. Durch Gespräche mit LL.M.-Absolventen anderer Law Schools habe ich jedoch erfahren, dass diese teilweise auch in reinen LL.M.-Klassen saßen und daher auch weniger Kontakt mit amerikanischen Studenten hatten.
Etwas ungewohnt ist der Umgang mit neuen Onlinedatenbanken wie Lexis Nexis und Westlaw. Diese haben bestimmte Funktionen, die auf das Case Law zugeschnitten sind (beispielsweise kann man mit wenigen Klicks analysieren, ob ein bestimmter Fall nach wie vor „good law“ ist oder etwa durch ein Urteil einer höheren Instanz aufgehoben worden ist – selbst dann muss aber noch geprüft werden, welche Passagen eines Urteils ggf. nicht mehr anwendbar sind). Case Law stellt einen insgesamt vor neue Herausforderungen: Während im Civil Law in der Regel ein bestimmter Sachverhalt unter eine bestehende Norm subsumiert wird, muss im Common Law zunächst eine Norm aus einem Urteil hergeleitet werden, die dann wiederum auf einen Sachverhalt angewendet werden kann. Der Rechtsanwender erhält daher eine weitere methodische „Ebene“ bzw. einen weiteren Zwischenschritt, mit dem er argumentativ arbeiten kann.
Im Rahmen des Studiums engagierte ich mich darüber hinaus ehrenamtlich bei der Student Bar Association (SBA) als Repräsentant des LL.M.-Jahrgangs. Die SBA ist eine Art hochschulpolitische Selbstverwaltungsorganisation der Studierenden. Zu meinen Tätigkeiten gehörten Treffen mit den anderen Abgeordneten der SBA, die Vermittlung bei Problemen und im Prinzip war ich für sämtliche Belange der LL.M.-Studenten zuständig. Die Tätigkeit war nicht allzu zeitintensiv, weil der LL.M.-Jahrgang relativ klein war und es kaum Probleme gegeben hat. Es war jedoch sehr spannend, sich einzubringen und Einblicke in interne Universitätsangelegenheiten zu bekommen. Alle Repräsentanten wurden nach einem Wahlkampf jeweils für ein Jahr gewählt. Mein „Wahlkampf“ war etwas kleiner und auf die LL.M.-Gruppe zugeschnitten, die mich ja bereits kannte.
Interessant ist außerdem der Austausch mit den anderen LL.M.-Studenten. Ich habe sehr davon profitiert, der einzige Deutsche meines Jahrgangs gewesen zu sein. Spannend waren auch die Gespräche mit Kommilitonen und der oft zitierte „Blick über den Tellerrand“: Jede/r meiner Kommilitonen/innen konnte interessante rechtswissenschaftliche und praktische Aspekte aus seinem Rechtskreis teilen und wir tauschten uns regelmäßig aus.
To Bar or not to Bar?
Noch einige Worte zum Bar Exam of California: Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, ein Bar Exam im Anschluss an das LL.M.-Studium abzulegen, mit dem man dann die Berechtigung hat, in Kalifornien als Anwalt aufzutreten. Das kalifornische Bar Exam gilt dabei als schwierig. Die Frage „To Bar or not to Bar?“ habe ich mir auch gestellt.
Für das kalifornische Bar Exam spricht die Möglichkeit, in den USA (genauer: in Kalifornien) als Anwalt arbeiten zu dürfen. Die meisten meiner LL.M.-Kollegen haben den LL.M. absolviert, um sich eine Zukunft in Amerika zu eröffnen. Deutsche LL.M.-Studenten sind da jedoch eher zurückhaltend: Zum einen ist der deutsche Arbeitsmarkt für Juristen so gut, dass die wenigsten ein Auswandern ernsthaft erwägen. Im Hinblick auf Tätigkeiten im U.S. Law dürften deutsche Juristen, deren Ausbildung eben nicht darauf ausgerichtet ist, gegenüber lokalen Absolventen immer fachliche und sprachliche Nachteile haben. Interessiert man sich für eine Tätigkeit im Ausland, muss man meines Erachtens im internationalen Kontext (Auswärtiges Amt, NGOs, UN oder lokale Ableger von Kanzleien) arbeiten – hierbei ist das Bar Exam of California wohl nicht erforderlich.
Gegen das Bar Exam spricht ferner, dass man einige weitere Monate Aufenthalt einplanen muss, was sich natürlich auf die Kosten auswirkt und dass man in der Wahl der Kurse an der USD nicht so frei ist; so muss man die Grundlagenkurse des J.D.-Studiums besuchen. Die J.D.-Studenten absolvieren darüber hinaus noch ein (kostenpflichtiges) Repetitorium, zum Beispiel das Barbri. Die entsprechend aufzuwendende erhöhte Lernzeit kann man dann nicht nutzen, um die Kultur des Gastlandes kennenzulernen.
Aus diesen Gründen (hinzu kam noch die Corona-Pandemie) habe ich mich gegen das Bar Exam entschieden. Wer den Titel haben möchte, kann auch das Bar Exam of New York ablegen. Ich meine aber, dass dann noch weitere Kurse belegt werden müssten.
Das Leben als LL.M.-Student in San Diego
San Diego – Stadt und privates Umfeld
Vorweg: San Diego gilt ganz zurecht als „America’s finest city“. San Diego ist die achtgrößte Stadt der USA und liegt im Süden Kaliforniens an der mexikanischen Grenze. Gleichzeitig ist San Diego eine der teuersten Städte der USA. Interessanterweise gibt es dort kaum Touristen – die besuchen wohl die bekannteren Städte Los Angeles (etwa eineinhalb Stunden nördlich) und San Francisco (etwa drei Stunden Flugzeit). Insgesamt trifft man daher viele Amerikaner, Mexikaner, die in die USA (zum Studium oder Arbeiten) ausgewandert sind bzw. pendeln und Expatriaten. Der Lebensstandard ist sehr hoch, die San Diegans sind dennoch sehr entspannt und angenehm. Die Stadt bietet sehr viele verschiedene Szenen: Sie ist ein Business-Hub (vor allem der Handel mit Mexiko floriert), es gibt einen LGBTQ+-Stadtteil, verschiedene „schicke“ Ausgehviertel und natürlich ist San Diego auch bekannt für seine Beach- und Surfkultur (wie eigentlich die ganze kalifornische Küste).
In San Diego gibt es viele Kulturveranstaltungen wie Poetry Slams, Stand-up-Comedy und sehr viel Livemusic. Die Stadt ist auch bekannt für seine Brauereien, Besuche in jenen lohnen sich immer. Aufgrund der Nähe zu Mexiko ist San Diego auch sehr mexikanisch geprägt, was man vor allem an der Essenskultur sehen kann. Natürlich gehen die Kalifornier auch gerne ins Stadion: Neben Baseballspielen kann man hier auch Live Bands sehen.
Amerikaner lernt man sehr schnell kennen. Hilfreich war vor allem, dass ich vor Ort in eine WG mit zwei Kaliforniern in meinem Alter ziehen konnte. Mit denen hatte ich schnell ein gutes Verhältnis, sodass ich auch außerhalb der Universität Anschluss fand. Den Kontakt zu Locals kann ich nur empfehlen. Mit meinen beiden Mitbewohnern bin ich viel gereist und habe über sie viele weitere Amerikaner kennenlernen können. Ich war unter anderem auch auf Thanksgiving-Feiern in anderen States eingeladen, sodass ich einen guten Einblick in die amerikanische Kultur bekommen konnte. Hierin liegt einer der Reize eines Auslandsstudiums: In unzähligen Gesprächen mit Amerikanern sowohl über Amerika als auch über Europa habe ich sehr viel über meine eigene Herkunft gelernt und auch reflektieren können; gleichzeitig konnte ich Verständnis für das Gastland bekommen – insbesondere in Zeiten von Trump sowie der Entfremdung von Europa und Amerika, wie wir sie heute erleben, waren die Erfahrungen sehr wertvoll. Diese haben im Übrigen auch dazu geführt, dass ich mich heute mehr denn je als Europäer definiere. Sehr interessant war auch das parallele Studium von U.S.-Verfassungsrecht, da ich dadurch die amerikanische Mentalität sowohl bei der Bevölkerung als auch bei der Rechtsprechung nachvollziehen konnte.
Gleichzeitig muss man betonen, dass Kalifornien und insbesondere San Diego auch von Amerikanern als „nicht amerikanisch“ wahrgenommen und bezeichnet wird. Die Stadt kann wohl nicht als eine authentische amerikanische Erfahrung herhalten – anders als wohl ein Großteil des Landes ist die Bevölkerung in San Diego liberal, Trump-kritisch und insgesamt gebildet und weltoffen (dies mag aber auch an dem Umfeld liegen, in dem man sich als Studierender bewegt).
Reisemöglichkeiten und Karriereevents
Fliegen in Amerika ist billig, sodass Wochenendausflüge oder längere Trips in den Semesterferien in andere amerikanische Großstädte anbieten. Sehr empfehlenswert ist übrigens auch ein Roadtrip in die bekannten Nationalparks wie den Yosemite National Park, in die Wüste Nevada oder nach Arizona. Landschaftlich bietet die Region sehr viel.
Spannend ist der Kontrast von San Diego und Mexiko. Wie bereits erwähnt liegt San Diego an der mexikanischen Grenze und geht nahezu nahtlos über in die Grenzstadt Tijuana – eine der ärmsten Städte der Welt. Ein Besuch in Tijuana kommt einem Aufeinanderprallen zweier Welten gleich, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite verlässt man eine reiche, sichere und schöne Stadt, um sich wenige Autominuten später in den Slums des tiefsten Lateinamerikas wiederzufinden. Über die USD haben wir ein Flüchtlingslager in Tijuana besucht und die (auch durch die Trump-Administration weiter verstärkten) Grenzanlagen besichtigt. Von Tijuana aus kann man außerdem für wenige US-Dollar nach ganz Mexiko fliegen. Dabei gibt es eine Brücke, die direkt über die Grenze von San Diego in den Flughafen Tijuanas führt, der Flughafen ist also sehr leicht erreichbar. Die Zeit des Spring Break habe ich daher genutzt, um einen Trip durch das wunderschöne Gastland zu machen (sehr empfehlenswert!).
Darüber hinaus gibt es viele Kanzleievents. Deutsche Großkanzleien sind interessiert, LL.M.-Studenten kennenzulernen und man wird häufig in andere Städte eingeladen, wo dann Karriereevents oder Restaurantbesuche organisiert werden. Von diesen Angeboten würde ich unbedingt Gebrauch machen, da man – abgesehen von einem weiteren kostenlosen Städtetrip – sehr wertvolle Kontakte knüpfen kann, andere LL.M.-Studierende kennenlernt und sich mit diesen über die Erfahrungen und Erkenntnisse im Ausland austauschen kann. Sehr spannend war auch die NYU Job Fair, die jährlich an der NYU in New York stattfindet und an der wohl die meisten bekannten Arbeitgeber und viele internationale LL.M.-Studierenden aus allen Ländern anwesend sind.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann ich ein LL.M.-Studium in Amerika (und natürlich in San Diego) trotz aller organisatorischen Herausforderungen wärmstens empfehlen. Ein LL.M. führt zu einem tieferen Verständnis von internationalen Zusammenhängen, fachlichem und interkulturellem Wissenszuwachs, neuen Perspektiven und man erhält tiefe und spannende Einblicke in ein komplexes, aber politisch gespaltenes Land voller Gegensätze. Abgesehen hiervon macht der LL.M. im Ausland auch einfach Spaß!
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