Zwischen Paragraphen und Pizza Slice
Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der St. John‘s University School of Law (2024/2025)
Ein längerer Auslandsaufenthalt war für mich schon lange ein Wunsch – nicht nur als akademische Bereicherung, sondern auch als persönliche Erfahrung. Während des Studiums war ein Erasmus-Aufenthalt für mich leider keine Option: Zum einen, weil die Anrechnung der Kurse an meiner Heimatuniversität nur schwer möglich war, zum anderen, weil die Pandemie viele Pläne durchkreuzte. Als sich nach dem Ersten Staatsexamen eine absehbare Wartezeit für das Referendariat abzeichnete, war klar: Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt für ein LL.M.-Jahr.

Inhalt
Der Bewerbungsprozess – unkompliziert, aber gründlich
Die Bewerbung für das LL.M.-Programm an der St. John’s University lief erstaunlich unkompliziert – besonders im Vergleich zu manch anderer US-Universität. Ich habe mich direkt über das Online-Portal der Universität beworben, eine Alternative zum LSAC-System, das vor allem bei mehreren Bewerbungen sinnvoll ist. Vorteil der Direktbewerbung: Keine Bewerbungsgebühr und ein sehr klar strukturierter Prozess.
Benötigt werden u. a. ein Lebenslauf, ein Motivationsschreiben, ein juristisches Schreibbeispiel, Empfehlungsschreiben sowie ein Nachweis über die Englischkenntnisse (TOEFL, IELTS oder DuoLingo). Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch eine Befreiung vom Sprachtest beantragt werden. Kümmert Euch zeitig um die Empfehlungsschreiben, da dies je nach Professor:in eine Weile dauern kann.
Einige Dokumente, wie das Transkript, mussten zudem von einer offiziellen Agentur in das US-amerikanische System eingeordnet werden („course-by-course evaluation“), was man frühzeitig organisieren sollte.
Die Visa-Formalitäten wurden im Anschluss an die Zusage eng von der Universität begleitet, was mir große Sicherheit gegeben hat.
Wichtig zu wissen: Die St. John’s University nimmt fortlaufend Bewerbungen an, solange Plätze verfügbar sind. Es gibt jeweils einen Start im August (Fall Semester) und im Januar (Spring Semester). Wer sich frühzeitig bewirbt – spätestens bis zum 30. Juni (Herbst) bzw. 30. Oktober (Frühjahr) – hat deutlich bessere Chancen auf Zulassung und Stipendien.

Studium und Law School – praxisnah, international und individuell
Das LL.M.-Programm in Transnational Legal Practice (TLP) an der St. John’s University ist international ausgerichtet, praxisorientiert und zugleich akademisch fundiert. Zielgruppe sind Jurist:innen mit einem Abschluss aus dem Ausland, die in einem grenzüberschreitenden Kontext arbeiten möchten – sei es in Kanzleien, Unternehmen, internationalen Organisationen oder Behörden.
Studiert habe ich gemeinsam mit rund 45 anderen LL.M.-Studierenden aus drei unterschiedlichen Programmen (LL.M. in Transnational Legal Practice, U.S. Legal Studies LL.M. und Bankruptcy LL.M.), alle im Alter zwischen ca. 20 bis 40 Jahren. Dabei war ich die einzige deutsche Teilnehmerin.
Alle Studierenden belegen zunächst Einführungskurse ins US-Recht sowie zwei aufeinander aufbauende Kurse in Legal Research, Writing & Analysis, die auf juristisches Arbeiten in englischer Sprache fokussiert sind. Dazu kommen Kurse wie International Business Transactions, Commercial Arbitration und ein spezielles Modul namens Transnational Practice Skills, das mit Rollenspielen und Simulationen echten Mandatssituationen nachempfunden ist.
Trotz vorgegebener Kurse bleibt noch Platz für Wahlfächer, bei denen man eigene Schwerpunkte setzen kann – sei es im internationalen Strafrecht, Menschenrechtsschutz, internationalen Finanzrecht, Handelsrecht oder auch im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Wer möchte, kann Kurse aus dem J.D.-Programm integrieren.
Wer zusätzlich plant, sich auf das (New York) Bar Examen vorzubereiten, kann den sogenannten Bar-Track wählen – dieser vermittelt prüfungsrelevante Inhalte und erfüllt die Voraussetzungen für die Anmeldung zur Prüfung. Ich habe mich selbst noch kurzfristig dazu entschieden, wodurch ich in der Kurswahl etwas beschränkter war.
Ein Großteil meiner Kurse wurde in Kleingruppen (meist ca. 10–20 Personen pro Kurs) gelehrt. Das ermöglicht nicht nur intensive Betreuung, sondern auch echten fachlichen Austausch. Der Unterricht ist deutlich weniger frontal als in Deutschland und mehr als Diskussion gestaltet. Viele Lehrende sind erfahrene Praktiker:innen, die nebenbei in Kanzleien oder internationalen Organisationen tätig sind.
Für Studierende, die zu Beginn noch etwas Unterstützung benötigen, bietet die Universität den vorbereitenden Sprachkurs English for American Law Schools (EALS) an – ein intensiver Pre-Semester-Kurs, der auf das juristische Studium in den USA vorbereitet. Ich selbst fand, dass er hilfreich war, um mit einem sicheren Gefühl ins Studium zu starten.
An der Universität sind zahlreiche studentische Gruppen aktiv, in denen man sich auch als LL.M. gut beteiligen kann. Dies bietet nicht nur eine Möglichkeit zum Austausch mit den JD-Studenten, sondern auch die Teilnahme an zahlreichen Gastvorträge, Paneldiskussionen und Exkursionen – etwa zur New York City Bar Association oder sogar zur UN.

Zwischen Campusidylle und Großstadtflair – Leben und Lernen in Queens
Die St. John’s University liegt im Stadtteil Queens und damit in einer eher ruhigeren Gegend, gleichzeitig aber gut angebunden. In Manhattan ist man mit der Subway z.B. in 45 Minuten.
Der Campus in Queens hat mich positiv überrascht. Zwischen den klassischen Backstein-Gebäuden, gepflegten Grünflächen und ruhigen Innenhöfen vergisst man schnell, dass man sich in einer der größten Städte der Welt befindet. Alles ist sehr kompakt und gut organisiert – von der Law School selbst über die Bibliotheken bis hin zu Cafés und Fast-Food-Restaurants und Lernplätzen.
Es gibt auch noch einen zweiten Campus in Manhattan, auf welchem zwar keine Jura-Vorlesungen stattfinden, dessen Bibliothek ich aber ab und zu genutzt habe. Zum Lernen bietet sich sonst auch die Public Libary in Manhattan, Brooklyn oder Queens oder eines der unzähligen Cafés an.
Ich habe in einer privaten WG nahe dem Campus gewohnt. Dadurch habe ich zwar etwas längere Fahrzeiten in die Stadt auf mich genommen, war dafür aber nahe am Campus und konnte einiges an Geld sparen. Die Universität selbst bietet Wohnungsmöglichkeiten auf dem Campus und Off-Campus Housing an, allerdings zu einem nicht ganz so günstigen Preis. Viele meiner Kommiliton:innen haben WG-Zimmer über Plattformen wie „SpareRooms“, „Jumpoffcampus“ oder in Facebook-Gruppen gefunden.

Freizeit und Leben in NYC
New York ist nicht nur eine Stadt, es ist ein ganzes Universum. Und ein LL.M.-Jahr ist fast zu kurz, um alles zu entdecken. Ich habe versucht, jeden freien Tag zu nutzen: Broadway-Shows, Central Park, Museen, Rooftop-Bars, Spaziergänge in Brooklyn, Eislaufen im Bryant Park im Winter usw. Und zwischendurch durfte natürlich auch das eine oder andere 1,50-Dollar-Pizza-Slice auf die Hand nicht fehlen – eine der wenigen echten Budget-Highlights in dieser sonst teuren Stadt.
Besonders ans Herz gewachsen ist mir das internationale Netzwerk unter den LL.M.-Studierenden – wir haben gemeinsam gelernt, diskutiert, gefeiert, gelitten (Midterms!) und einander unterstützt. Viele dieser Kontakte werden auch nach dem Studium bleiben – beruflich wie privat.
New York ist natürlich teuer, aber mit etwas Vorausplanung und Blick für Rabatte (z. B. Culture Pass oder Groupon) bleibt es im Rahmen.

Fazit
Der LL.M. an der St. John’s University School of Law war für mich eine einmalige Erfahrung – akademisch, kulturell und menschlich. Die Mischung aus juristischer Weiterbildung, internationaler Atmosphäre und dem Leben in einer der aufregendsten Städte der Welt war genau das, was ich gesucht habe. Queens ist vielleicht nicht Harvard – aber definitiv ein Ort, der den eigenen juristischen und persönlichen Horizont spürbar erweitert.
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