Hook ’em! – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Texas at Austin School of Law (2019/2020)

Veröffentlicht am 15.6.2022

Jan Stammler, LL.M. (UT Austin)

Rechtsreferendar bei der AHK Kolumbien

Nach dem ersten Staatsexamen und vor dem Referendariat absolvierte ich ein LL.M.-Studium an der University of Texas at Austin von August 2019 bis Mai 2020.

Inhalt

Wahl der Universität und des Schwerpunkts

Für Freunde und Familie war die Tatsache, dass ich mich für einen LL.M. in Texas entschied, nicht ganz verständlich. Für mich sprach jedoch einiges für die University of Texas (UT). Zwar hatte ich ein vergleichbares Angebot der Boston University erhalten, jedoch war ich bereits zuvor für ein Wochenende in Boston, aber noch nie vorher auch nur in der Nähe von Texas gewesen. Hinzu kam, dass die UT für Jura einen sehr guten Ruf genießt (auch für 2023 auf Nr. 17 unter den US-Universitäten gelistet vom U.S. News & World Report).

Ferner bestehen die Jahrgänge nur aus ca. 30 Teilnehmern, wovon ich mir eine gute Betreuung versprach. Nicht zuletzt hat mich natürlich auch das Programm selbst überzeugt. Seinerzeit hatte ich ein großes Interesse für Menschenrechte, wofür die UT einen Schwerpunkt hat. Generell bietet die UT eine Vielfalt an Law Clinics an, die sehr praktische Arbeit an realen Fällen ermöglichen. Im Speziellen hat mich hier die Immigration Clinic interessiert.

Campus bei Nacht
Campus bei Nacht

Bewerbung

Ein weiterer Grund für die UT war für mich das relativ späte Bewerbungsfristende. Da ich erst im Januar 2019 die Ergebnisse des ersten Staatsexamens erhielt, waren viele der Bewerbungsfristen für einen im Spätsommer 2020 startenden LL.M. bereits abgelaufen. Für den Master an der UT war das Bewerbungsfristende jedoch erst am 1. März.

Die Bewerbung an sich ist – wie bei allen US-Universitäten – recht kostspielig. Neben einem Personal Statement und drei Empfehlungsschreiben, ist ein TOEFL-Test zu absolvieren, welcher nicht günstig ist. Zudem ist die Bewerbung über die Website des Law School Admissions Council (LSAC) einzureichen, wofür eine nicht unerhebliche Gebühr zu entrichten ist. Hinzu kommen hier und da non-refundable fees.

Nach erfolgreichem Hochladen aller Dokumente fand mit den Verantwortlichen der UT ein Gespräch via Skype statt. Dieses schien mir weniger ein Bewerbungs- und viel mehr ein Informationsgespräch zu sein. Die Atmosphäre war jedenfalls sehr angenehm.

Finanzierung

Die Studiengebühren für das gesamte LL.M.-Programm belaufen sich auf knapp 50.000 USD. Die Universität wirbt damit, dass dies unter den Top-20-Universitäten das günstigste Programm in den USA ist. Unter Berücksichtigung aller Ausgaben, wie für Unterkunft, Bücher, Verpflegung usw., errechnet die UT Kosten in Höhe von knapp 75.000 USD für die 10 Monate. Etwas ärgerlich sind auch die (hierin inbegriffenen) Gebühren für die verpflichtend abzuschließende Krankenversicherung in Höhe von knapp 4.000 USD. Deutsche Auslandskrankenversicherungen werden nicht akzeptiert.

Zum Zeitpunkt meiner Bewerbung und Zusage bei der UT waren viele Bewerbungsfristen für externe Stipendien bereits abgelaufen und meine sonstigen Bewerbungen blieben leider erfolglos.

Einzig verbleibend war somit die Möglichkeit, ein Stipendium von der Universität selbst zu erhalten. Hier hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass man mit den Universitäten verhandeln könne. Dies mag bei privaten Universitäten mit großen Programmen der Fall sein. UT ist jedoch eine öffentliche Universität mit nur ca. 30 Teilnehmern pro Jahrgang. Mir wurde schnell klar gemacht, dass ein Verhandlungsspielraum hier praktisch nicht vorhanden ist. Glücklicherweise wurde mir nach einigem Hin und Her dennoch eines der (ich meine insgesamt 4) von der UT vorgesehenen Stipendien angeboten. Mit diesem Stipendium musste ich „nur“ die Studiengebühren bezahlen, die auch für Texas Residents anfallen (ca. 30.000 USD).

Studium

Vorab kann ich sagen, dass die Betreuung durch die Verantwortlichen wirklich herausragend war. Insbesondere Prof. Lauren Fielder kümmert sich sehr liebenswürdig um die LL.M.- und Exchange-Studenten. Auch die anderen Personen, die im International Office arbeiteten, waren stets hilfsbereit und sehr nett.

Innenhof der Law School
Innenhof der Law School

Im Gedächtnis blieben mir vor allem die Kurse „Contracts“, „Comparative Constitutional Law“, „Negotiation“, „Terror and Consent“ und natürlich die Immigration Clinic. Grundsätzlich gibt es an der UT keine reinen LL.M.-Kurse, sodass zusammen mit den „normalen“ Jurastudenten studiert wird. Einzige Ausnahme hiervon ist meiner Erinnerung nach der Contracts-Kurs von Prof. Sokolow, einem älteren, sehr sympathischen Professor. Der Kurs gibt einen Einblick in das US-amerikanisches Vertragsrecht und Case Law. Für jede Vorlesung sind Fälle vorzubereiten. Interessant sind die inhaltlichen Parallelen zum deutschen Vertragsrecht. Ich fand den Kurs sehr gut.

Negotiation ist ein ebenfalls sehr empfehlenswerter Kurs. Das Format entspricht nicht dem einer deutschen Vorlesung. Vielmehr werden – nach einer kurzen Theorieeinheit – Paare und Gruppen gebildet, die miteinander über ganz vielfältige Themen verhandeln sollen. Am Ende der Stunde werden die Verhandlungsergebnisse der einzelnen Gruppen miteinander verglichen, was teilweise zu lustigen Ergebnissen führte.

Ein weiterer Kurs, der mir sehr positiv in Erinnerung geblieben ist, ist Comparative Constitutional Law, gelehrt von Prof. Albert, einem recht jungen, dynamischen Professor. Obwohl Verfassungsrecht eigentlich nicht mein originäres Interessengebiet ist, fand ich diesen Kurs sehr spannend. Prof. Albert lädt zu jeder zweiten Einheit Vortragende ein, die eigene neu erschienene Literatur zu unterschiedlichsten Verfassungsthemen vorstellen. Im Anschluss wird darüber mit den Vortragenden diskutiert. Abwechselns zu den Vorträgen Externer trugen auch die Kursteilnehmer selbst vor. Aufgrund der internationalen Zusammensetzung des Kurses ergaben sich hier interessante Einblicke in die verschiedenen Verfassungssysteme weltweit.

Äußerst interessant war auch der Kurs „Terror and Consent“, gelehrt von Prof. Bobbitt. Hier wurde im Prinzip sein gleichnamiges Buch besprochen. Dieses setzt sich mit dem Ursprung von Terrorismus, den Kriegen der USA in Irak und Afghanistan und aktuellen terroristischen Entwicklungen auseinander. All dies wird aus einer amerikanischen Sichtweise dargestellt.

Highlight meines LL.M. war die Immigration Clinic. Diese bestand aus Theoriestunden, sowie aus einem sehr großen praktischen Teil.

Im theoretischen Teil wurde das US-amerikanische Immigration Law erläutert, aber auch bspw. der Kontakt mit teilweise traumatisierten Mandanten vorbereitet.

Für den praktischen Teil wurden die Kursteilnehmer in Zweier-Gruppen ein- und verschiedenen Aufgabenbereichen zugeteilt. Zusammen mit meinem texanischen Partner betreuten wir lateinamerikanische Migrantinnen, die ohne Visum in die USA eingereist sind, von der Einwanderungsbehörde aufgegriffen und in die Detention Facility in Texas namens Hutto verbracht wurden. Unsere Aufgabe war es, zu erreichen, dass unsere Mandantinnen die Zeit der Dauer des Aufenthaltsprozesses nicht in Hutto, sondern in Freiheit verbringen dürfen. Hierfür fuhren wir mehrfach nach Hutto, telefonierten mit der berüchtigten Einwanderungsbehörde ICE, verfassten Schriftsätze und stellten Anträge. Die Immigration Clinic gipfelte für mich darin, dass ich vor dem Immigration Court die Interessen einer unserer Mandantinnen vertrat und erreichte, dass sie gegen Kaution aus Hutto entlassen wurde.

Äußerst beeindruckend waren die beiden betreuenden Professorinnen Gilman und Steglich, die trotz der damaligen – Trump-bedingt – sich stetig verschlechternden Rechtslage, immer positiv und äußerst engagiert waren.

Unterkunft

Die Mietkosten in Austin sind recht hoch im Vergleich zu Deutschland, wohl aber recht niedrig im Vergleich zu anderen US-amerikanischen Städten. UT ist eine Campus-Uni, im Norden der Stadt. Beliebt bei Studenten ist die Gegend West-Campus, überraschenderweise westlich des Campus gelegen. Hier wohnen fast ausschließlich Studenten. Einige Kommilitonen wohnten auch Downtown.

Ich habe in einem Coop in West-Campus gewohnt. „Cooperative“ ist ein System, das mir aus Deutschland nicht bekannt war. Dabei handelt es sich um Häuser, die von den diese bewohnenden Studenten selbst verwaltet werden. So lebte ich in einem Haus mit ca. 20 Leuten. Dies war phasenweise toll und phasenweise anstrengend. So waren unten den 20 Mitbewohnern einige sehr nette Leute, mit denen man gern Zeit verbrachte. Auch wurde im Haus ein Mal pro Semester eine recht große Party veranstaltet. Allerdings ist es bei einer so großen Anzahl an Mitbewohnern naturgemäß so, dass man nicht mit allen gleich gut zurecht kommt. Zudem hatte ich etwas Pech mit meinem Zimmer, da die Klimaanlage sowohl im Sommer als auch im Winter extrem übersteuert war. Preislich lag die Unterkunft bei ca. 800 USD monatlich, allerdings war Verpflegung zum großen Teil inbegriffen.

Stadt und Umgebung

Skyline von Austin
Skyline von Austin

Generell ist das Studium zeitlich und inhaltlich gut zu meistern. Insbesondere im Vergleich zu den Anforderungen und Strapazen des deutschen Staatsexamens muss einem das LL.M.-Programm keine Angst machen, sodass genug Zeit bleibt, um Stadt und Umland zu erkunden.

Austin ist eine liberale und sehr diverse Stadt im traditionell konservativen Texas. Sehr prägend ist auch die hispanische Kultur.

Prägend – insbesondere natürlich auf dem Campus – ist die Identifikation mit der Universität und dem Football-Team, den Longhorns. Omnipräsent ist der orangene Uni-Merchandise und der Ausruf „Hook ’em“, mit dem auf die texanischen Büffel mit langen Hörnern Bezug genommen wird. Außerdem hat Matthew McConaughey hier Kultstatus.

Im Sommer ist es sehr heiß und im Winter gibt es extreme Temperaturschwankungen.

Beeindruckend sind die College-Football-Spiele der Longhorns. Das Stadion fasst über 100.000 Zuschauer und ist damit größer als jedes Fußballstadion Europas.

Football Stadion
Football Stadion

Zahllose Tailgate-Partys vor den Spielen sind perfekt zum Einstimmen. Ich habe mir zu Beginn des Studiums eine Dauerkarte gekauft und diese hat sich auch für mich als Liebhaber des europäischen Fußballs gelohnt.

Austin ist super zum Ausgehen. In der 6th Street reihen sich die Bars und Clubs aneinander. Die parallel verlaufende 4th Street ist das Äquivalent für die LGBTQ-Szene.

Regelmäßig kommen Einladungen von Kanzleien zu Abendessen oder ganzen Wochenendprogrammen in Städten an der Ost- und Westküste. Dies ist natürlich eine tolle Möglichkeit, die Metropolen des Landes kennenzulernen.

In der einmonatigen Pause im Dezember/Januar bietet es sich an, einen Trip durch die USA oder bspw. Mexiko zu unternehmen. Empfehlenswert ist auch ein Abstecher nach New Orleans.

French Quarter, New Orleans
French Quarter, New Orleans

Geplant hatte ich einen Roadtrip durch Texas – hier soll der Big Bend National Park toll sein – und Utah am Ende meines Programms, jedoch machte mir Corona einen Strich durch die Rechnung. So musste ich leider die letzten beiden Monate meines Studiums von Deutschland aus über Zoon absolvieren.

Fazit

Ich kann das LL.M.-Programm an der UT jedem empfehlen, der eine etwas ausgefallene Wahl treffen, die USA von einer anderen Seite kennenlernen und dennoch an einer renommierten Universität studieren möchte.

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