Eine echte College Town Experience
Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Virginia School of Law (2022/2023)
Wem es in seinem LL.M.-Studium darauf ankommt, Amerika als Land und seine Leute kennenzulernen, der muss die University of Virginia (UVA) in die ganz enge Auswahl nehmen! Doch von vorne:
Inhalt
Bewerbung und Finanzierung
Zu diesem Themenkomplex wurde anderweitig schon viel geschrieben, daher beschränkte ich mich auf das Wichtigste. Ich habe anderthalb Jahre vor dem Start des LL.M.s mit der Vorbereitung der Bewerbungen begonnen. Professoren schätzen es, wenn man Empfehlungsschreiben mit genügend Vorlaufzeit anfragt und auch die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen einschließlich der Formulierung der Motivationsschreiben nimmt einige Zeit in Anspruch.
Finanziert habe ich das Vorhaben durch ein Fulbright-Stipendium, ein Stipendium der Universität und eigene Ersparnisse. Auch wenn die UVA eine staatliche Universität ist, gibt es durchaus die Möglichkeit, von dieser gute Stipendien zu erhalten. Lasst euch davon nicht von einer Bewerbung abhalten!
Gründe für ein Studium an der UVA Law
Die University of Virginia ist in Deutschland trotz dessen, dass sie in dem „U.S. News“-Ranking eine konstante Top-10-Law-School ist (aktuell Platz 8), zugegebenermaßen ziemlich unbekannt. Wer die Wahl rein nach dem Prestige aus deutscher Sicht trifft, wird sich daher wohl eher für eine andere Uni entscheiden.
Ein Grund für die geringe Bekanntheit in Deutschland ist sicherlich die kleine Größe des LL.M.-Programms von etwa 40 Personen plus rund zehn Austauschstudenten (die nur für ein Semester an der Uni sind). Ich war beispielsweise in meinem Jahrgang der einzige deutsche LL.M.-Student. Dementsprechend gibt es in Deutschland auch vergleichsweise wenige Alumni.
Für mich war das kleine LL.M.-Programm ein großer Faktor bei der Entscheidung für Virginia. Die überschaubare Größe ermöglicht es einem schnell alle seine LL.M.-Klassenkameraden kennenzulernen. Außerdem bedeutet dies, dass man fast immer zusammen mit den amerikanischen J.D.s unterrichtet wird. Während an manchen anderen Universitäten spezielle Vorlesungen für LL.M.-Studenten (z.B. „Contracts for LLMs“ oder „Civil Procedure for LLMs“) die Regel sind, haben wir LL.M.s an der UVA die Vorlesungen der J.D.s besucht. Das sorgt einerseits für eine authentische Erfahrung einer amerikanischen Law School und es ermöglicht außerdem einen viel engeren Kontakt zu den Amerikanern.
Der Kontakt zu den „Einheimischen“ wird auch dadurch erleichtert, dass die UVA in den USA dafür bekannt ist, eine besonders kollegiale und freundliche Studierendenschaft zu haben. Das kann ich aus eigener Erfahrung so bestätigen. Hier hilft man sich gegenseitig und man ist offen dafür, andere kennenzulernen und neue Freundschaften zu schließen. Das ist insbesondere deswegen bemerkenswert, weil man hier wie an sehr vielen Law Schools in den USA relativ zu seinen Kommilitonen benotet wird. Trotz dessen und auch trotz der Tatsache, dass dort viele ehrgeizige und zielstrebige Studenten unterwegs sind, herrscht an der UVA keine Ellenbogengesellschaft.
Sozialleben in Charlottesville
Charlottesville ist eine eher kleine Stadt, hat dafür aber ein großes kulturelles und kulinarisches Angebot. So gibt es ein Theater, mehrere Kinos, davon ein historisches im Stil der 20er Jahre, eine Freiluftbühne in der Innenstadt, auf der regelmäßig auch internationale Stars auftreten (z.B. Charlie Puth) und viele gute Restaurants.
Durch die Universität ist auch für Sportveranstaltungen gesorgt. Bei einem Footballspiel der Cavaliers (auch Hoos genannt) läuft die ganze Stadt in Orange auf. Bei Touchdowns wird traditionell the good old song der Universität angestimmt. Ein großes Spektakel sind auch die Basketballspiele, da von allen großen Sportarten das Basketballteam das stärkste Team ist. Insbesondere bei Spielen gegen Lokalrivalen wie die University of North Carolina oder die Duke University brodelt das Stadion.
Charlottesville ist aber auch eine authentische amerikanische College Town. Auch wenn das hauptsächlich die Lebensrealität der Undergrads betrifft (diejenigen, die den 4-jährigen amerikanischen Bachelor absolvieren), so färbt das doch auch auf die Law School ab. Die Stadt ist voller junger Menschen und es gibt viele Möglichkeiten auszugehen und Spaß zu haben. Auch an der Law School gibt sich die SBA (Student Bar Association, so etwas wie die Fachschaft) große Mühe ein aktives Sozialleben zu gestalten.
UVA Law ist außerdem bekannt für die amerikanische Sportart Softball. Es gibt an der Law School eine interne Liga, an der auch die LL.M.s traditionell mit einem Team teilnehmen. Wer Fußball mag, der findet auch eine sehr aktive Gruppe fußballbegeisterter J.D.s an der Law School, mit denen man zwei bis drei Mal die Woche kicken gehen kann. Wer mag, kann sogar am Wochenende im örtlichen Ligabetrieb mitspielen.
Außerdem gibt es einen sehr aktiven universitätsweiten Outdoors Club (UVA Outdoors). In dem sind zwar fast ausschließlich Undergrads unterwegs, aber wer kein Problem damit hat, immer der älteste zu sein, der findet dort unglaublich viele Möglichkeiten sich auszutoben: Wandern, Backpacken, Klettern, Kajaken, Höhlenbegehungen, Mountainbiking, Rafting und vieles mehr.
Auch wer nicht gleich im Outdoors Club mitmachen will, sollte jedenfalls die Chance nutzen und mit Freunden in dem nahe gelegenen Shenandoah Nationalpark wandern gehen. Das lohnt sich ganz besonders im Herbst, wenn sich dort die Bäume bunt färben!
Wohnen in Charlottesville
Die Mieten in Charlottesville sind deutlich günstiger als in den US-Metropolen wie New York oder Washington, D.C. Aus deutscher Sicht sind sie trotzdem nicht günstig. In der Nähe der Law School, welche auf dem Nordteil des Campus und damit etwas abseits des Hauptcampus liegt, gibt es jedoch für fast jeden Geldbeutel eine Möglichkeit etwas zu finden. Die meisten Law Students leben daher auch in der direkten Umgebung der Law School. Ich habe in einer 3er-WG in einem zugegebenermaßen sehr gut ausgestattetem privaten Apartmentkomplex jeweils fünf Gehminuten von der Law School und dem nächsten Supermarkt entfernt gelebt, was sehr praktisch war. Da ich Mitbewohner hatte, war das Zimmer auch noch bezahlbar.
Wer weiter weg wohnt, sollte sich unbedingt vorher den Verlauf der (im Übrigen kostenlosen) Buslinien anschauen. Ansonsten ist nämlich die Wahrscheinlichkeit groß, dass man ohne Auto nur umständlich zur Law School kommt.
Akademisches
Auch wenn es in Charlottesville viel Raum für Nebenaktivitäten gibt, so kommt man doch zuallererst zum Studieren hier her. Auch das kann man natürlich ganz hervorragend an der Law School machen. Viele Professoren sind Koryphäen auf ihrem Gebiet und streben trotzdem einen persönlichen Austausch mit ihren Studenten an. Sie machen dabei keinen Unterschied zwischen J.D.s und LL.M.s. Letztere sind überall genauso willkommen und die Professoren freuen sich über LL.M.s in ihren Klassen.
LL.M.s an der UVA haben außerdem den Vorteil, dass sie zusammen mit den 3Ls (also den J.D.s in ihrem dritten und letzten Jahr) bei der Wahl der Kurse in der höchsten Prioritätsstufe sind. Man bekommt daher sehr häufig die Kurse, für die man sich auch wirklich interessiert und muss sich nicht mit den unbeliebten Veranstaltungen zufriedengeben. Die Universität bietet hochkarätige Vorlesungen zum gesamten Spektrum des Rechts an, seien es die Grundlagen, Gesellschaftsrecht/M&A, Steuerrecht, Verfassungsrecht oder auch Völkerrecht. Zusätzlich dazu hat man im Frühjahrssemester außerdem die Möglichkeit, ausgewählte Kurse an der benachbarten JAG-School zu belegen. Die JAG-School bildet die Juristen für die amerikanische Army weiter und man bekommt so die einmalige Gelegenheit, etwas in den Kosmos des amerikanischen Militärs einzutauchen. Durch die Nähe zur JAG-School und zur Hauptstadt Washington, D.C. bietet die Law School auch eine gute Auswahl an Kursen zum Thema National Security an.
Ich persönlich habe mich auf Kurse zu den Themen Zivilprozessrecht, Völkerrecht und National Security konzentriert.
Fazit
Ich hatte eine unvergessliche Zeit an der University of Virginia und ich bin sehr dankbar für die vielen Erfahrungen, die ich dort machen durfte und die vielen Freundschaften, die ich dort habe schließen können. Wer gerne eine erstklassige amerikanische juristische Ausbildung genießen möchte und dabei auch noch das authentische Leben eines amerikanischen J.D.-Studenten kennenlernen möchte, der ist an der UVA genau richtig. Ich würde mich jederzeit wieder für die UVA Law entscheiden. Go Hoos!
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