Home | LL.M.-Erfahrungsberichte Tim Nau: George Washington University Law School (2022/2023)

A Plethora of Opportunities

Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der George Washington University Law School (2022/2023)

Veröffentlicht am 2.10.2023

Tim Nau, LL.M. (GWU)

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Öffentlichen Wirtschaftsrecht bei Gleiss Lutz, Düsseldorf

Das LL.M.-Studium an der George Washington University (GW) Law School in Washington, D.C. war für mich eine sehr bereichernde Erfahrung, für die ich immer dankbar sein werde, und die ich in Auszügen hier teilen möchte.

Inhalt

Bewerbungsverfahren

Für die Bewerbung an U.S.-amerikanischen Law Schools kommt man am Law School Admissions Council (LSAC) und mehreren Hundert Dollar Kosten nicht vorbei (mögliche Ausnahme: Uni-Partnerschaften mit der Heimat-Uni). Auch kann man mit dem Bewerbungsprozess gar nicht früh genug anfangen; für mich war die Bewerbungsfrist vieler der („besseren“) Law Schools schon abgelaufen, als ich mich Anfang 2022 für einen Studienplatz ab Herbst 2022 bewerben wollte. Übersetzungen des Examenszeugnisses stellte mir das Justizprüfungsamt aus. Empfehlungsschreiben sollten von verschiedenen Perspektiven kommen; so hatte ich z.B. mehrere Professor*innen sowie frühere Arbeitgeber gewinnen können. Der Bewerbungsprozess ist insgesamt relativ zeitraubend und mühsam, aber sobald der LSAC alle Dokumente erhalten hat, geht das Weitere fast von allein. Bewerbungen sollte man nicht nur an die eine präferierte Uni schicken, da sich die Präferenzen auch nochmal ändern können und um möglichst Verhandlungsspielraum zu erhalten (s.u.).

Sich für die graduation in Schale zu werfen und darüber hinaus wie in Filmen mit „cap and gown“ zu kleiden, war ein besonderes Gefühl.
Sich für die graduation in Schale zu werfen und darüber hinaus wie in Filmen mit „cap and gown“ zu kleiden, war ein besonderes Gefühl.

Finanzen und Organisatorisches

Deutsche Banken vergeben meiner Erfahrung nach keine Auslandsstudienkredite. Das Bundesverwaltungsamt bietet einen Studienkredit an (Abwicklung über die KfW-Bank), der allerdings nur bis zu 7.000 € beträgt. Private Finanzierung ist daher unerlässlich und schließt bedauerlicherweise zahlreiche kluge, aber finanzschwache Studierende bereits von vornherein aus.

Fulbright- und DAAD-Stipendien sind in Deutschland sehr wenigen Studierenden vorbehalten. Zudem enden die Bewerbungsfristen (z.B. für Fulbright) äußerst früh, teilweise noch bevor man sich überhaupt bei den Universitäten bewirbt. Für das DAAD-Stipendium muss das 1. Staatsexamen bereits abgeschlossen sein, was für mich damals eine Bewerbung ausschloss. Umso erfreulicher war dann die Zusage für das Stipendium von LL.M. Essentials, für das ich mich erneut herzlich bedanken möchte. Darüber hinaus bieten einige Kanzleien Stipendien an, u.a. Gleiss Lutz, Latham & Watkins und Oppenhoff.

Alle Unis, bei denen ich mich beworben habe (GW, University of California, Los Angeles; University of California, San Diego; University of Connecticut) haben mir großzügige Stipendien gewährt (überwiegend über die Teilnahme am e-fellows LL.M.-Day). Mit diesen Angeboten kann man dann verhandeln, um die Wunsch-Uni zu einem noch höheren Stipendium zu bewegen (hat bei mir geklappt).

Zum Bezahlen vor Ort habe ich die Hanseatic GenialCard benutzt (keine Gebühr und akzeptable Umrechnungskurse). Andere Optionen sind die DKB, aber auch rein digitale Anbieter wie Revolut oder Wise. Für meinen Job an der Uni (s.u.) brauchte ich dann eine Social Security Number (das dauert …) und ein Bankkonto, das ich bei der PNC Bank problemlos und (für Studierende) kostenfrei eröffnete.

Auslandsreisekrankenversichert war ich bei der HanseMerkur, was nur die Hälfte der GW Health Insurance kostete.

Nach meiner Ankunft bestellte ich eine SIM-Karte bei US Mobile mit einem vom Datenvolumen her völlig ausreichenden Vertrag für $20 pro Monat.

Das F-1-Visum kam nach wenigen Wochen per Post. Der Bewerbungsprozess für das Visum sollte aber nicht unterschätzt werden; in der Regel ist ein Gesprächstermin bei der Botschaft/Konsulat erforderlich und insgesamt kann der Prozess Monate dauern.

Ein Besuch der zahlreichen Smithsonian Museen lohnt in jedem Fall, und weil sie kostenfrei sind, kann man auch gut öfter gehen. Im National Museum of African American History and Culture (NMAAHC) war ich zum Beispiel drei Mal.
Ein Besuch der zahlreichen Smithsonian Museen lohnt in jedem Fall, und weil sie kostenfrei sind, kann man auch gut öfter gehen. Im National Museum of African American History and Culture (NMAAHC) war ich zum Beispiel drei Mal.

Auswahl der Universität

Für die GW Law School entschied ich mich aus verschiedenen Gründen. Ich wollte unbedingt nach Washington, D.C., weil mich die Nähe zum politischen System der USA fasziniert und ich mir Chancen auf besondere Praktika und Networking erhoffte. All dies hat sich bestätigt. GW hat eine Vielzahl von Lehrkräften, die aus der Politik oder Wirtschaft stammen und damit eine ganz andere, sehr bereichernde Perspektive in den Hörsaal tragen. Networking-Events waren immer ein guter Anlass, alte Bekannte zu treffen und neue berufliche Kontakte zu knüpfen. Ein solches Netzwerk aufzubauen, scheint mir in den USA eine besonders große Bedeutung zu haben. Auch ein Praktikum in einer Umwelt-NGO (Environmental Law Institute, ELI) konnte ich absolvieren und habe dort sogar einen Job für den Sommer 2023 gefunden (s.u.).

GW hat mich auch durch den sehr netten Kontakt im Vorfeld überzeugt, den ich zu Dean Joshi (admissions) und Dean Attanasio (energy law) aufbauen konnte. Beide haben sich viel Zeit genommen, um über Zoom meine Fragen zu klären und von GW zu erzählen. Die Wärme und Herzlichkeit, mit der alle GW-Angestellten und Professor*innen die Studierenden betreuen, endete auch nicht mit Zahlung der Studiengebühren oder mit der Abschlussfeier, sondern dauert bis heute an und wird fortbestehen.

Auch das Energie- und Umweltrechtsprogramm ist umfangreich und konnte meine Interessen bedienen (s.u.).

Letztlich hat GW ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Kosten sind nicht so hoch wie in Georgetown und die Qualität der Lehre und der Veranstaltungen schätze ich nicht als geringer ein.

Am Ende hat sich GW in Washington, D.C. auch einfach richtig angefühlt. Immerhin „muss“ man ein Jahr an diesem Ort verbringen!

Zwischen Bäumen lässt sich das Capitol erspähen. Den U.S. Congress kann man umsonst besuchen, was ich auch mehrfach getan habe. So nah ist man dem Politikgeschehen selten.
Zwischen Bäumen lässt sich das Capitol erspähen. Den U.S. Congress kann man umsonst besuchen, was ich auch mehrfach getan habe. So nah ist man dem Politikgeschehen selten.

Studium

Die ca. 100 internationalen LL.M.-Studierenden absolvieren einen Kurs zur Einführung in das U.S.-Recht sowie einen Kurs im Legal Research and Writing (insgesamt 3 Credits).

Als Schwerpunkt habe ich das Energie- und Umweltrecht gewählt. Dies erfordert 16 Credits, sodass nur noch 5 Credits frei wählbar sind (von insgesamt 24 Credits). Die für das Bar Exam erforderlichen Kurse konnte ich somit nicht belegen. Wer das Bar Exam – das U.S.-amerikanische 2. Staatsexamen – ablegen möchte, der muss einige Pflichtkurse absolvieren, um überhaupt zugelassen zu werden.

Der Schwerpunkt bietet eine Vielzahl von Kursen, wobei meine Auswahl wegen zeitlicher Überschneidungen und inhaltlicher Anforderungen dann doch nicht ganz so frei war. Angeboten werden z.B. Energy Law & Regulation, Atomic Energy Law, Environmental Law, Wildlife and Ecosystems Law, Natural Resources Law, Oil & Gas Law, Air Pollution Control, Climate Change Law & Justice, Export Control Law und International Project Finance. Viele Kurse eröffneten mir die Möglichkeit, neue, v.a. wirtschaftliche Perspektiven auf die Klimakrise und die Notwendigkeit für eine ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft kennenzulernen, aber z.B. auch, noch tiefer in das in den USA sehr wichtige Konzept der Environmental Justice einzutauchen. Die Dozierenden waren kompetent und stets hilfreich, engagiert und geradezu interessiert an den Studierenden – eine schöne Erfahrung. Dem berüchtigten cold calling (unerwartetes Aufrufen von Studierenden zum Beantworten von Fragen der Professorin) war ich größtenteils nicht ausgesetzt, aber viele meiner Freund*innen.

Der für die Erreichung guter Studienergebnisse erforderliche, moderate Arbeitsaufwand erlaubte mir, nebenbei für Dean Attanasio als Hilfskraft tätig zu sein (5h pro Woche) und zur Elektromobilität für unterrepräsentierte Bevölkerungsteile zu forschen. (Nur) einen solchen on-campus-Job erlaubt das F-1-Visum. Der in diesem Rahmen entstandene Blog-Beitrag ist kürzlich veröffentlicht worden. Darüber hinaus habe ich im spring semester ein studienbegleitendes Praktikum am ELI absolviert (law clerk, 1,5 Tage pro Woche), was sehr bereichernd war, großen Spaß gemacht und mir letztlich die Möglichkeit eröffnet hat, nach dem Ende des Studiums für zwei weitere Monate in Vollzeit für das ELI zu arbeiten. Die Kosten für die Arbeitserlaubnis, die als eine Art Verlängerung des F-1-Visums erteilt wird, betrugen schlappe $400 und es dauerte Monate, bis die Arbeitserlaubnis eintraf. Am ELI hatte ich u.a. die Gelegenheit, im Rahmen des Climate Judiciary Project an einem Aufsatz zu der Schnittstelle von Klima-(attributions-)wissenschaft und Recht mitzuwirken, der diese Schnittstelle theoretisch und anhand einiger Beispiele aus der weltweiten climate litigation untersucht.

Die Abschlussfeier (graduation) der gesamten GW fand dann auf der National Mall unter dem hier abgebildeten Washington Monument statt, was eine einmalige Erfahrung ist und nur von GW so gemacht wird.
Die Abschlussfeier (graduation) der gesamten GW fand dann auf der National Mall unter dem hier abgebildeten Washington Monument statt, was eine einmalige Erfahrung ist und nur von GW so gemacht wird.

Washington, D.C.

Eine Stadt macht immer (nur) so viel Spaß, wie die Menschen nett sind, die man dort trifft. Ich hatte Glück und bin direkt im International Student House (ISH) eingezogen. Für das ISH muss man sich separat bewerben (keine Affiliation zur Uni). In der „Bewerbung“ müssen einige Fragen beantwortet und die Fähigkeit zum Zusammenleben in interkultureller Gemeinschaft dargelegt werden. Aus meiner Erfahrung sollte es mit ausreichend Vorlaufzeit gut möglich sein, einen Platz im ISH zu erhalten.

Geografisch kann man nicht besser wohnen: 7 Minuten mit dem Fahrrad zur Uni (Capital Bikeshare, Discount über die Uni: $25 für das ganze Jahr, Stationen sind direkt vor der Haustür vom ISH sowie mehrere an der Uni), 5 Minuten zu Fuß (!) zu zwei „Partymeilen“ (Adams Morgan und Dupont Circle), 8 Minuten mit dem Fahrrad zum Weißen Haus und 10 Minuten mit dem Fahrrad nach Georgetown. Gleichzeitig eine ruhige, sichere, grüne und echt schöne Wohngegend, in der man auch nachts alleine nach Hause spazieren kann. Gewohnt habe ich mit einem Zimmermitbewohner, was ich aber suboptimal fand. Auch das Essen im ISH ist mittelmäßig. Aber die Gemeinschaft, die ich dort mit aufbauen konnte, sowie die Events, die das ISH organisiert, und das wunderschöne Haus mit Klavier, fitness area, Bibliothek, study room, und Great Hall haben in der Abwägung mit den Nachteilen überwogen. Jetzt erhöht das ISH allerdings die Preise, was mich davon abhält, eine uneingeschränkte Empfehlung auszusprechen. Ich habe für das Doppelzimmer mit eigenem Bad ca. $1750 gezahlt, was auch Frühstück und Abendessen miteinschließt. Somit habe ich nur äußerst selten auswärts gegessen. Damit war der Preis im Vergleich mit anderen Unterkünften noch im Rahmen! Das ISH bietet auch Einzelzimmer an, die indes noch teurer sind. Andere Studierende wohnten in Einzelapartments oder WGs in Rosslyn (Virginia) – einmal über die Brücke – oder Georgetown, Foggy Bottom, Logan Circle, Dupont Circle, Adams Morgan, und Columbia Heights. Manche fanden eine Unterkunft über Airbnb oder craigslist.

Nach einer vom ISH organisierten Gala im U.S. Institute of Peace schossen wir dann mitten in der Nacht noch schöne Fotos im Anzug am Lincoln Memorial mit dem Washington Monument im Hintergrund. Einmalig!
Nach einer vom ISH organisierten Gala im U.S. Institute of Peace schossen wir dann mitten in der Nacht noch schöne Fotos im Anzug am Lincoln Memorial mit dem Washington Monument im Hintergrund. Einmalig!

Das Leben in Washington, D.C. ist generell sehr teuer, vergleichbar mit NYC. Für ein Mittagessen kann man auswärts locker $10–15 einplanen, selbst wenn man keine großen Ansprüche hat. Ein Bier in einer Bar kostet zwischen $7 und $12, sodass es sich lohnt, die happy hours zu besuchen (ab $5).

Innerhalb Washingtons bin ich fast nur Fahrrad gefahren, was zwar bisweilen gefährlich, aber eben auch praktisch umsonst ist (s.o.). Der ÖPNV ist ausbaufähig: Die Metro hat nicht viele Stationen und nur wenige Linien und der Busverkehr ist unzuverlässig. Zu Fuß kommt man auch gut voran, aber die Entfernungen habe ich regelmäßig unterschätzt. Trotz der heimeligen Atmosphäre ist es immer noch die Hauptstadt der USA und bietet vielen Menschen und großen Institutionen Platz.

Viele Freizeitmöglichkeiten sind umsonst: Sämtliche Smithsonian Museen sowie natürlich die Memorials und Monuments. Besonders empfehlenswert ist m.E. ein Besuch des Washington Monuments; der Blick ist einfach toll, wenn man einige Zeit in Washington verbracht hat und die Stadt von oben wiedererkennt. Vorher Tickets online buchen! Überall sonst kommt man in der Regel ohne Ticket rein. Touren für das Weiße Haus kann man über die Abgeordneten im Repräsentantenhaus buchen, die den District vertreten, in dem man wohnt. Der Besuch selbst ist natürlich ziemlich cool, aber auf den East Wing beschränkt, der mehr wie ein Museum anmutet als wie der Wohn- und Arbeitssitz des U.S.-Präsidenten.

Ich fand es spannend, die Botschaften der Welt in Washington ausfindig zu machen. Einmal im Jahr öffnen diese ihre Türen für Interessierte. Auch zahlreiche internationale Organisationen haben hier ihren Sitz (Weltbank, IWF, OAS etc.), den man besichtigen kann, wenn man jemanden „on the inside“ kennt (was z.B. über das ISH sehr gut möglich ist!).

Der Weg nach NYC ist nicht weit, sodass ich mehrfach dort war. Die Zugfahrt nach NYC kostet, wenn sie mit genügend Vorlauf gebucht wird, ab $35 und dauert ca. 3 ½ Stunden. Auch Baltimore und Philadelphia sind auf dem Weg dorthin gut erreichbar und die Zugfahrt erlaubt teils schöne Blicke über die Chesapeake Bay.

Ein weiteres Highlight waren außerdem einige Networking-Events mit Kanzleien, die uns nach NYC, San Diego und Miami einluden, um die jeweilige Kanzlei kennenzulernen. Hier lohnt es sich, auf den üblichen Karriere-Kanälen die Augen offenzuhalten und sich zu bewerben!

Von Washington, D.C. aus lässt es sich hervorragend reisen. Allein in NYC war ich fünf Mal. Es war aber auch immer wieder eine Freude, nach D.C. zurückzukehren!
Von Washington, D.C. aus lässt es sich hervorragend reisen. Allein in NYC war ich fünf Mal. Es war aber auch immer wieder eine Freude, nach D.C. zurückzukehren!

Fazit

Insgesamt war das Jahr eine in vielerlei Hinsicht bereichernde, prägende und sehr schöne Zeit. Für Rückfragen stehe ich unter meinem LinkedIn-Account gerne zur Verfügung.

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