LL.M.-Studium in der Wiege der USA – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Pennsylvania Carey Law School (2022/2023)

Veröffentlicht am 28.6.2023

Dr. Bianca Scraback, LL.M. (UPenn)

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, Universität Bonn

Ich wollte aus ganz verschiedenen Gründen einen LL.M. machen: Erstens habe ich mich schon immer für fremde Rechtsordnungen interessiert und finde, dass sich aus der Begegnung mit fremden Systemen häufig die besten Impulse für das eigene System ergeben. Zweitens hatte ich – ganz besonders nach der Pandemie – Fernweh und Lust, die USA kennenzulernen. Drittens reizte es mich besonders, das US-amerikanische Rechtssystem in einem föderalen Staat zu entdecken, das möglicherweise auch ein Vorbild für die Zukunft der EU sein könnte. Mein LL.M.-Studium an der Penn Carey Law School in Philadelphia im Studienjahr 2022/2023 hat mir alle erhofften Erfahrungen ermöglicht und noch viel mehr.

Inhalt

Bewerbung und Organisation vor Abreise

Eine Auswahl der Universitäten habe ich auf der Grundlage von Rankings und Erfahrungsberichten, den Homepages der LL.M.-Programmen und dem LL.M.-Day der DAJV getroffen. Ich habe etwa ein Jahr vor Studienbeginn (also im September) damit begonnen, mich auf den TOEFL vorzubereiten und meine Unterlagen zusammenzustellen. Da die Zeugnisse postalisch direkt von der Universität bzw. fürs Staatsexamen auch vom Gericht an die zentrale Bewerbungsinstitution LSAC geschickt werden müssen, ist es ratsam, sich frühzeitig darum zu kümmern. Die Bewerbungsfristen waren meist im November/Dezember, wobei es bei manchen Law Schools auch etwas Spielraum gab, wann die physischen Unterlagen da sein mussten. Wenn es dabei Probleme gibt, kann ich nur ermutigen, den Kontakt zu suchen, das hat bei mir sehr geholfen.

Für die Bewerbungsschreiben habe ich versucht, möglichst authentisch zu erklären, was ich mir von dem LL.M. im Allgemeinen und von der Uni im Konkreten erwarte. Dafür habe ich beispielhaft ein paar Kurse aus dem Vorlesungsverzeichnis herausgesucht und erklärt, weshalb sie – mit Bezug auf meine bisherige akademische und berufliche Laufbahn sowie künftige Pläne – für mich interessant sind.

Die Zusagen kamen alle in etwa dem gleichen Zeitraum (Anfang/Mitte März) und mit etwas Zeitverzögerung auch die Benachrichtigungen bezüglich der Stipendien. Die Entscheidung, an welche Uni man geht, muss man in der Regel bis Ende März treffen. Ausschlaggebend war für mich das Preterm-Programm der Penn, die schon auf dem Papier wirklich exzellenten Dozent*innen (gerade in den mich interessierenden Rechtsgebieten) und die interdisziplinären Angebote (zu allem weiter unten mehr). Für mich persönlich ist auch die Größe des LL.M.-Programms (100–120 Studierende aus etwa 30 Ländern) perfekt: Wir konnten jede*n LL.M. kennenlernen, aber es waren auch genug, um Leute zu finden, die die eigenen (akademischen und privaten) Interessen teilen. Und wenn man dann in den Vorlesungen mit den amerikanischen Studierenden sitzt (LL.M.-spezifische Veranstaltungen gibt es nach dem Preterm quasi nicht), ist es schön, schon ein paar bekannte Gesichter zu haben oder in den Pausen wiederzufinden.

Erster Tag in Philadelphia: Blick von den „Rocky steps“ am Kunstmuseum
Erster Tag in Philadelphia: Blick von den „Rocky steps“ am Kunstmuseum

Im Anschluss an die feste Zusage ist es wichtig, sich zeitnah um das Visum zu kümmern. Dies umso mehr an der Penn, bei der das Preterm-Programm in der Regel schon Ende Juli/Anfang August beginnt. Ich habe mir auch mein WG-Zimmer noch von Deutschland aus über ein Portal der Uni organisiert (die Lebenshaltungskosten und besonders Kosten für die Unterkunft sind allgemein sehr hoch, aber auf dem Portal wird man bei WG-Zimmern mit etwas Glück auch unterhalb von $1000 warm fündig). Die online zu findenden Angaben der Uni zu den zu erwartenden Kosten für den LL.M. (https://www.law.upenn.edu/admissions/grad/financing-your-education.php – vergleichbare Auflistungen findet man bei den meisten Unis) kommen meiner Erfahrung nach ganz gut hin – je nachdem wie kostenintensiv der eigene Lebensstil ist. Ich habe von der Penn ein Scholarship bekommen, habe aber ansonsten mit familiärer Unterstützung und eigenen Ersparnissen den LL.M. selbst finanziert.

Akademisches

Eine Besonderheit des LL.M. an der Penn ist das fünfwöchige Pre-Term Program. Die akademischen Veranstaltungen in dieser Zeit („Foundations of the U.S. Legal System“ und „Legal Writing and Research“) waren eine optimale Vorbereitung für den Einstieg in das 1. Semester. Außerdem hatten wir im Preterm-Programm als LL.M.s die Gelegenheit, uns in Ruhe gegenseitig kennenzulernen und erste Freundschaften zu schließen. Das hat super funktioniert: Als ich wie einige andere in der zweiten Woche wegen einer Corona-Erkrankung zuhause bleiben musste, konnte ich mich vor lieben Genesungswünschen und ernstgemeinten Hilfsangeboten kaum retten.

Herbstlicher Locust Walk auf dem Uni Campus
Herbstlicher Locust Walk auf dem Uni Campus

Für die Kurse (Vorlesungen und Seminare) in den eigentlichen Semestern haben LL.M.s grundsätzlich die höchste Priorität, sodass es wirklich selten ist, dass man einen Kurs, den man machen möchte, nicht belegen kann. Eine Ausnahme bilden nur die Erstsemester-Veranstaltungen, bei denen man eine Erlaubnis des*der betreffenden Professor*in braucht – bei mir hat das aber zum Beispiel für die Vorlesung zum Zivilprozessrecht ganz gut funktioniert.

Die Penn bietet ein wirklich breites Spektrum an Kursen, die in ziemlich geringer Klassenstärke (max. 60 Personen in den ganz großen Vorlesungen, Seminare haben häufig nur 12 Plätze) angeboten werden. Dabei gibt es auch die Möglichkeit, an anderen Fakultäten Fächer zu belegen, und viele interdisziplinäre Angebote. Ich habe zum Beispiel „Empirical Social Science Studies and the Law“ belegt, das von einem Ökonomen unterrichtet wurde, und den „Legal Communication Workshop“, in dem es viel um Design ging. Wer sich für Wirtschaft interessiert, kann auch die Kooperation mit der prestigereichen Wharton Business School nutzen und das Wharton Certificate machen, das speziell für LL.M.s angeboten wird (aber auch noch mal extra kostet).

Neben den klassischen Kursen gibt es auch eine große Auswahl an Journals und Law Clinics. Im Allgemeinen ist es eher ein Problem, dass man gar nicht genug von den spannenden Angeboten unterbekommt. Da ist es ein weiterer Vorteil, dass man mit einigen Pflichtkursen (die z.B. für das NY Bar verlangt werden) aufgrund des Preterm-Programms schon durch ist. Empfehlenswert ist es außerdem, eine Mischung aus klassischen Vorlesungen mit Klausur am Ende, Seminaren mit Paper und/oder Kursen mit Projekten während des Semesters zu belegen, um die Arbeitslast etwas aufzuteilen.

Blick aus der Biddle Law Library
Blick aus der Biddle Law Library

Am Anfang muss man sich ein wenig an das U.S.-amerikanische Lehrsystem, die sog. Sokratische Methode gewöhnen, bei der man als Hausaufgabe Urteile oder andere Texte zu lesen bekommt (häufig über 50 Seiten pro Veranstaltung), die dann in der Vorlesung wiedergegeben und kritisch diskutiert werden müssen. Mit der Zeit findet man aber ein System und weiß, bei welchen Stellen auch Überfliegen reicht, um antworten zu können. Danach kann man es dann genießen, dass in vielen Veranstaltungen, gerade in Seminaren, sehr viel Raum für Diskussion und das Entwickeln eigener Ideen ist. Wirklich beeindruckend sind die hochkarätigen Dozent*innen an der Penn, die auch häufig aus der Praxis kommen. Einer meiner Dozenten war zum Beispiel ein Richter aus dem 3rd Circuit Court of Appeals, aus dessen Feder auch eine Vielzahl der Urteile in unserem Lehrbuch stammten. Ein weiterer meiner Dozenten ist der Main Reporter für das Third Restatement of Conflict of Laws, einer vom American Law Institute herausgegebenen Zusammenfassung des common law auf dem Gebiet des US-amerikanischen Kollisionsrechts.

(Studierenden-)Leben in Philadelphia

Besonders toll fand ich die vielen studentischen Clubs der Law School, die von rechtsgebietsspezifischen Gruppen (zum Beispiel für Kartell- oder Schiedsrecht) über Interessenvertretungen (zum Beispiel Women, Black oder LGBTQ*) bis hin zum Running Club reichen. Aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen, dass die Law School gerne dabei unterstützt, wenn man noch eine neue Gruppe gründen (in meinem Fall die Comparative Law Association), einen Gastvortrag oder eine andere Veranstaltung planen möchte. Allgemein hat mich der Zusammenhalt frei von übertriebenem Konkurrenzdenken und das kollegiale Miteinander, das von allen an der Penn gelebt wird, sehr beeindruckt. „The City of Brotherly Love” hat auch in dieser Hinsicht voll abgeliefert.

Neben dem normalen Curriculum gibt es so gut wie täglich Gastvorträge, Konferenzen oder andere Veranstaltungen, die mal akademischer, mal mehr sozialer Natur sind. Im Herbst findet zum Beispiel regelmäßig der Barristers Ball statt und im Frühjahr die Fight Night, bei der die Box Clubs der Law School und der Wharton Business School für einen guten Zweck gegeneinander antreten und der Rest der Studierendenschaft ordentlich feiert.

Fight Night
Fight Night

Neben den vielen spannenden Veranstaltungen an der Uni gibt es auch eine tolle Großstadt zu erkunden. Eins vorweg: Philadelphia hat insbesondere aufgrund der hohen Kriminalitätsrate einen eher schlechten Ruf. Davon sollte man sich aber nicht abhalten lassen: Meiner Erfahrung nach ist man, wenn man die vielen Angebote der Universität nutzt (z.B. den kostenlosen Shuttle, der nachts fährt), sich in den Vierteln rund um die Universität und in der Innenstadt aufhält und seinen gesunden Menschenverstand nutzt, genauso sicher wie in anderen amerikanischen Großstädten auch.

Independence Hall, Unterzeichnungsort der Declaration of Independence
Independence Hall, Unterzeichnungsort der Declaration of Independence

Philadelphia hat wirklich alles zu bieten, was das Herz begehrt: Als Gründungsstadt wartet „Philly“ mit jeder Menge historisch und politisch interessanten Stätten und Museen auf, es gibt verschiedene Kunstmuseen, Restaurants mit Küchen aus aller Welt, ein vielfältiges Nachtleben, grüne Flächen (mein persönlicher Favorit: die Woodlands in West Philly) und Sportteams, die regelmäßig auch auf den vorderen Plätzen ihrer jeweiligen Ligen mitspielen. Trotz des Großstadtcharakters braucht man kein Auto, sondern kann alles zu Fuß oder mit dem gut ausgebauten und günstigen ÖPNV erreichen. Und auch New York City und Washington, D.C. sind nur 1–2 Stunden Bahnfahrt entfernt.

Fazit

Das Jahr an der Penn Carey Law School gehört zu einem der bereicherndsten meines Lebens. Ich habe sehr viel über Jura allgemein und spezifisch über Recht in den USA, aber auch über die amerikanische Gesellschaft und Lebensweise gelernt, ich bin persönlich an der Auslandserfahrung gewachsen und habe viele Freundschaften geschlossen, die hoffentlich noch ein Leben lang halten werden.

Du willst ebenfalls einen Erfahrungsbericht veröffentlichen und andere an Deinen Erfahrungen und Erlebnissen im Rahmen Deines LL.M.-Studiums teilhaben lassen? Mehr Informationen zum Ablauf findest du hier.