Welcome to Philly!
Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Pennsylvania Carey Law School (2023/2024)
Blauer Himmel, morgendlicher Sonnenschein – mit einem eisgekühlten Kaffee in der Hand und vorfreudigem Herzklopfen betrat ich Ende Juli 2023 zum ersten Mal die Law School. Die lichtdurchflutete Lobby war geschmückt mit blau-roten UPenn-Flaggen, die förmlich „Willkommen“ riefen. Nur wenige Momente später stand ich bereits unter 110 beeindruckenden jungen Menschen aus über 30 Ländern, die für die nächsten neun Monate meine LL.M.-Familie werden sollten. Dieser erste Eindruck an der University of Pennsylvania Carey Law School war ein verheißungsvoller Vorgeschmack auf eine unvergessliche Zeit voller neuer Freundschaften und spannender Herausforderungen.
Als Absolvent der Goethe-Universität Frankfurt wurde ich nach meinem ersten Staatsexamen im Rahmen des Kübler-Stipendiums für die University of Pennsylvania nominiert und erhielt eine großzügige finanzielle Förderung. Parallel dazu hatte ich mich über LSAC auch an verschiedenen anderen Law Schools in den Vereinigten Staaten beworben. Letztlich fiel meine Wahl auf die University of Pennsylvania, da ihr Angebot sowohl inhaltlich als auch finanziell am überzeugendsten war.
Inhalt
Meine ersten Wochen an der Law School
Meine Zeit an der Law School begann mit einem vielseitigen vierwöchigen Preterm-Programm. In diesen 4 Wochen boten sich zahlreiche Gelegenheiten, zusammen mit meinen Kommilitonen die Law School, den weitläufigen Campus und die Stadt zu erkunden. Gleichzeitig nahmen wir an verschiedenen Informationsveranstaltungen teil, die uns eine gute Orientierung und einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Angebote der Universität verschafften. Das Beste jedoch war, dass wir in dieser Zeit genügend Gelegenheit hatten, uns gegenseitig kennenzulernen.
Ein zentraler Bestandteil des Programms war der Kurs Foundations of the US Legal System, der uns eine Einführung in die Grundzüge des US-amerikanischen Rechtssystems vermittelte. Ergänzend dazu wurden wir in US Legal Writing und Legal Research unterrichtet. Diese Kurse dienten nicht nur als erster Ausblick auf die kommenden zwei Semester, sondern legten auch den Grundstein für diejenigen, die das Bar Exam absolvieren wollten, da sie als Pflichtmodule für die Zulassung gelten. Dank dieser Vorleistung im Preterm-Programm konnten wir unsere Stundenpläne in den folgenden Semestern flexibler gestalten und gezielt unseren Interessen anpassen. Für diejenigen, die vorhaben das Bar Exam abzulegen, ist die UPenn deswegen ein klarer Vorteil.
Nach Abschluss des Preterm-Programms mit einer Klausur hatten wir eine knappe Woche Pause, bevor das reguläre Semester begann. Viele meiner Kommilitonen nutzten diese Zeit für Reisen. Ich unternahm gemeinsam mit einem Studienfreund einen Roadtrip in den Shenandoah-Nationalpark, um die US-Ostküste weiter zu erkunden.

Kurse und Law-School-Alltag
Das Kursangebot an der University of Pennsylvania Carey Law School ist äußerst vielseitig. Grundsätzlich wird ein allgemeiner LL.M. angeboten, jedoch besteht die Möglichkeit, durch gezielte Kurswahl und entsprechende Credit-Anforderungen den Abschluss mit einer Spezialisierung zu erwerben. Zur Auswahl stehen hierbei die Bereiche Intellectual Property and Technology Law sowie Energy, Security, and Human Rights. Durch meine Kurswahl hatte ich am Ende meines Studiums (zufällig) ausreichend Credits für Letzteren gesammelt, ohne dass sich dadurch Unterschiede im Studienalltag ergaben.
Die Klassengrößen variieren je nach Fach erheblich: In großen Vorlesungen können bis zu 110 Studierende teilnehmen, während kleine Seminare teils weniger als 10 Teilnehmende haben. Die meisten Kurse werden gemeinsam mit den J.D.-Studierenden besucht, was eine authentische Law-School-Erfahrung vermittelt. Besonders prägend war die sokratische Lehrmethode, die insbesondere in Kursen mit J.D.-Studierenden intensiv genutzt wird. Hierbei handelt es sich um einen dialogischen Lehransatz, bei dem durch gezieltes Nachfragen seitens des Professors oder der Professorin das Verständnis und die Selbstreflexion gefördert wird. Statt Wissen vorzugeben, wird man angeregt, eigene Annahmen zu hinterfragen und selbständig Antworten zu entwickeln. Dies stellte eine spannende, aber auch herausfordernde Lernerfahrung dar. Einige Kurse belegte ich als einziger LL.M.-Studierender, insbesondere bei Veranstaltungen mit einem Fokus auf spezifisches US-Recht – eine Erfahrung, die ich sehr empfehlen kann.
Die Workload erwies sich als deutlich höher als erwartet, was vor allem an den umfangreichen Vorbereitungen für den Unterricht, den teils wöchentlichen Assignments und an den Aufsätzen lag, die in den Seminaren verlangt wurden. Die zu schreibenden Seminararbeiten konnten einen Umfang von 20 bis 60 Seiten erreichen. Dennoch lässt sich die Belastung durch die gezielte Wahl der Kurse gut steuern. Es ist zudem ratsam, die Empfehlungen der Verantwortlichen des LL.M.-Programms ernst zu nehmen und sich eher am Minimum der erforderlichen Credits zu orientieren, statt am Maximum. Denn das Studium lebt nicht von der bloßen Anzahl der besuchten Kurse, sondern davon, was man aus ihnen herausholt.
Ein Highlight meines Studiums waren Kurse mit praktischen Elementen außerhalb des Hörsaals. Im Rahmen eines Global Research Seminar, das sich mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) beschäftigte, nahm ich an Veranstaltungen im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York teil und war Teil eines Forschungsteams in Ghana. Ein weiterer Kurs bot die Möglichkeit, Briefings zum Thema Civilian Harm Mitigation zu entwickeln und diese im Pentagon vor den Judge Advocate General’s Corps der US Army vorzutragen. Solche außergewöhnlichen Gelegenheiten entstanden häufig durch die enge Betreuung und Unterstützung der Professoren, die für Gespräche und Feedback stets ansprechbar waren.
Zusätzlich können LL.M.-Studierende das Wharton Business and Law Certificate (WBLC) an der renommierten Wharton School erwerben. Die Teilnahme erfordert jedoch eine beachtliche Gebühr von etwa 15.000 USD. Alternativ ist es möglich, ohne zusätzliche Kosten Kurse an der Wharton School oder anderen Fakultäten der UPenn zu belegen, sofern dies im Vorfeld abgestimmt wird. In diesem Fall wird zwar kein extra Zertifikat erworben, jedoch ist diese Möglichkeit eine kostengünstige Alternative, um andere Fakultäten und Studierende außerhalb der Law School kennenzulernen.

Die Law School liegt in University City, dem Stadtteil Philadelphias mit den Universitäten UPenn und Drexel. Der Campus ist riesig und insbesondere in den warmen Monaten ein schöner Ort zum Verweilen. Die Law School selbst ist gut ausgestattet und erst kürzlich renoviert worden. Im Zentrum befindet sich ein einladender Innenhof, der sowohl als Ort der Entspannung, als auch für zahlreiche Veranstaltungen genutzt wird. Ein Highlight des Alltags – und das wird jeder LL.M. bestätigen – ist das kostenlose Essen. Bei den vielen Events, die hier fast täglich stattfinden, ist die Verpflegung garantiert. Damit die Essensfreuden nicht zu ernsthaften Folgen führen, liegt nur fünf Minuten entfernt ein großes Fitnesscenter mit Schwimmhalle, das man kostenlos nutzen kann. Wer es lieber draußen mag, hat auf den universitären Fußball- und Tennisfeldern die Möglichkeit, bei Turnieren gegen andere Fakultäten anzutreten oder einfach mit den LL.M.-Kommilitonen entspannt Sport zu treiben.

Philadelphia & Umgebung
Bevor ich nach Philadelphia zog, war ich skeptisch. Die Stadt taucht regelmäßig in den Top-Rankings der gefährlichsten Städte der USA auf und Reportagen über das sogenannte „Zombieland“ ließen nicht gerade Urlaubsvibes aufkommen. Doch meine Erfahrungen waren überraschend positiv: Philadelphia präsentierte sich als weltoffene, liberale Stadt, in der ich mich – selbst nachts – sicher fühlte. Klar, die Philly-Metro hat sicher keinen Schönheitswettbewerb gewonnen, aber wer braucht schon den unterirdischen Schick, wenn man die meisten Wege bequem zu Fuß erledigen kann?
Wer es fußläufig mag, sollte sich eine Wohnung in Center City oder University City suchen. Ich selbst habe in Center City in der Nähe des Schuylkill Rivers (24th Street) gewohnt, was ich wärmstens empfehlen kann. Der Fußweg zur Law School betrug lediglich 15–20 Minuten und auch die Bars und Restaurants im Stadtzentrum waren in ähnlicher Zeit bequem zu erreichen. Die Law School bietet zudem im Juni eine Informationsveranstaltung an, um bei der Wohnungssuche aus dem Heimatland zu unterstützen. In meinem Fall konnte ich durch den Kontakt zu einem deutschen LL.M.-Studierenden dessen Wohnung problemlos übernehmen, was sich als äußerst praktisch erwies.
Philadelphia hat mehr zu bieten als nur den Titel „Wiege der amerikanischen Demokratie“ oder den Status als fünftgrößte Stadt der USA. Die Stadt lebt von ihrem entspannten Flair, unzähligen Bars, Restaurants und Cafés, die mit urbanem Charme locken. Dazu kommen Museen für Kunst, Wissenschaft und Geschichte sowie Comedy Clubs, Opern und Theater. Und Sportfans? Hier ist das Paradies: Ob NBA, NFL, NHL, MLB oder MLS – Philadelphias Teams sorgen dafür, dass die Stadt in Sachen Sportfieber ganz oben mitspielt. Ein Stadionbesuch ist ein Muss – schon allein, um sich von den Half-Time-Shows begeistern zu lassen, auf der Kiss Cam peinlich ertappt zu werden und herauszufinden, ob man eher Brad Pitt oder doch einem verpeilten Sitcom- oder Comic-Charakter ähnelt.


Philadelphia mag vielleicht nicht mit der schillernden Energie von New York City oder der politischen Gravitas von Washington D.C. wetteifern können, doch beide Metropolen sind nur ca. zwei Stunden mit Bus oder Bahn entfernt – nah genug für einen Tagesausflug. Und für alle, die lieber die Ruhe suchen, bietet der Wissahickon Valley Park die perfekte Fluchtmöglichkeit. Nach nur 15 Minuten Busfahrt ist man dort – weit weg vom Lärm der Stadt und bereit, sich entweder der Natur hinzugeben oder einfach mal tief durchzuatmen.

Und noch viel mehr …
Für alle, die noch nicht genug haben, bietet die UPenn zahlreiche Möglichkeiten, sich zu engagieren, sich zu vernetzen oder gemeinsamen Interessen nachzugehen. Während meiner Zeit an der Law School hatte ich die Gelegenheit, die Comparative Law Association (CLA) zu leiten und Events mit Professorinnen und Professoren aus verschiedenen Ländern zu organisieren. Einige meiner LL.M.-Kommilitonen gründeten eigene Student Associations, um ihre Interessen auf organisierte Weise zu verfolgen. Die Law School unterstützt diese Initiativen großzügig mit Ressourcen und finanzieller Förderung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich als Editor an den hauseigenen Journals der Law School zu beteiligen. Auch wenn die Arbeit mit den Bluebook-Rules manchmal eine eintönige Herausforderung darstellte, war die Erfahrung insgesamt positiv. Besonders wertvoll war die Möglichkeit, viele spannende Kontakte zu J.D.-Studierenden zu knüpfen – und nicht zu vergessen, der Zugang zu eigenen Büroräumlichkeiten mit Kaffeemaschine, was in der Klausurenphase tatsächlich ein Gamechanger war.
Die Law School bietet zudem zahlreiche Möglichkeiten für Pro-bono-Tätigkeiten, die nicht nur ein sinnstiftendes Engagement darstellen, sondern auch für das Bar Exam erforderlich sind. Ich hatte die Möglichkeit, am Penn Law Pardon Project teilzunehmen und gemeinsam mit einem J.D.-Studierenden ehemals verurteilte Straftäter bei deren Antrag auf Begnadigung zu unterstützen. Diese Erfahrung war nicht nur fachlich spannend, sondern eröffnete auch einen kritischen Blick auf das US-amerikanische Rechts- und Sozialsystem, das außerhalb der „Law School Bubble“ oft im Verborgenen bleibt.
Darüber hinaus bestehen zahlreiche weitere Möglichkeiten der Beschäftigung, beispielsweise als Research- oder Teaching Assistant. Die niederschwelligen Hürden und die Offenheit der Professoren machten solche Tätigkeiten möglich, wenn man proaktiv auf sie zugeht. Dabei ist man nicht nur auf die Law School beschränkt. Ich habe beispielsweise als Reseach Assistant an der Wharton School gearbeitet. Wer außerdem Lust auf Moot Courts hat, kann ebenfalls auf die Unterstützung der Law School zählen. Hier bekommt man in der Regel einen Betreuer zur Seite gestellt und sowohl Teilnahmegebühren als auch Reisekosten werden übernommen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vielfalt der Angebote der Law School bzw. der UPenn allgemein beeindruckend ist und eine gründliche Planung im Vorfeld absolut empfehlenswert macht. Leider reicht die Zeit kaum aus, um alles auszuprobieren – das Studienjahr vergeht viel zu schnell, und ehe man sich versieht, ist es bereits Geschichte.


Fazit
Mein Jahr an der UPenn verging wie im Flug. Die University of Pennsylvania Carey Law School ist wärmstens zu empfehlen, nicht nur wegen der überschaubaren Klassengrößen, sondern auch aufgrund des persönlichen Austauschs mit Professorinnen und Professoren sowie anderen Mitgliedern der Universität. Hier fühlt man sich nicht bloß als Nummer; bereits nach wenigen Wochen wird man von allen mit Namen angesprochen und findet schnell seinen Platz in einer engen, unterstützenden Gemeinschaft.
Du willst ebenfalls einen Erfahrungsbericht veröffentlichen und andere an Deinen Erfahrungen und Erlebnissen im Rahmen Deines LL.M.-Studiums teilhaben lassen? Mehr Informationen zum Ablauf findest du hier.