Forever Go Blue! – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der University of Michigan Law School (2022/2023)

Veröffentlicht am 23.5.2023

Luise Cornelli, LL.M. (University of Michigan)

Nachdem ich meine gesamte Examensvorbereitung und somit auch das letzte Jahr meines Studiums unter Corona-Bedingungen absolviert hatte, wollte ich nach dem Ersten Examen die Gelegenheit ergreifen, noch einmal ins Ausland zu gehen. Der LL.M. sollte für mich eine Phase der fachlichen und persönlichen Orientierung sein, bevor ich mit dem Referendariat den ersten Schritt in Richtung Berufseinstieg gehen würde. Für die University of Michigan Law School (kurz Michigan Law) habe ich mich entschieden, weil mich die studentische College-Atmosphäre beeindruckt und angesprochen hat: Nicht umsonst ist die „Michigan Difference“, also der besonders freundliche und kollegiale Umgang innerhalb der Law School, USA-weit bekannt.

Inhalt

Bewerbung und Finanzierung des LL.M.-Studiums

Die Bewerbung für ein LL.M.-Studium in den USA ist mit recht großem Aufwand verbunden. Dies beruht primär auf der Tatsache, dass alle Universitäten ihr Bewerbungsverfahren über das Bewerbungsportal LSAC abwickeln und dieses sehr strenge formale Anforderungen an die einzureichenden Dokumente (insbesondere an die Transkripte) stellt. Für Details diesbezüglich möchte ich auf die speziellen Beiträge zu diesem Thema verweisen, wie beispielsweise dem von LL.M. Essentials.

Erwähnenswert ist lediglich, dass Michigan Law anders als die meisten anderen Unis, anstelle eines klassischen Motivationsschreibens kurze Essays zu spezifischen Fragen verlangt. Man bekommt mehrere Fragen zur Auswahl und soll davon mindestens zwei beantworten. Die Fragen sind allerdings so gestellt, dass man gut Textbausteine aus anderen Motivationsschreiben übernehmen kann. Ich beispielsweise habe meine Essays zu den Fragen geschrieben, warum ich einen LL.M. in den USA absolvieren möchte und was für eine besondere Herausforderung ich in meinem Leben bisher erfolgreich bewältigt habe. In gewisser Weise fand ich es ansprechend, dass ich meiner Bewerbung durch die zweite Frage einen etwas persönlicheren Touch geben konnte.

Bezüglich der Finanzierung des Studiums sollte man sich nicht davon abschrecken lassen, wenn man zunächst kein Stipendium von der Uni angeboten bekommt. Als Teil einer öffentlichen Universität verfolgt die Law School die Strategie, Stipendien tendenziell nur denjenigen Studierenden anzubieten, die tatsächlich Interesse an einem Studium in Michigan haben. Es ist deshalb nicht ungewöhnlich, dass BewerberInnen zunächst kein Stipendium bekommen, bei einer Nachverhandlung das Stipendium aber an die Angebote vergleichbarer Unis angepasst wird. Die verbleibenden Kosten habe ich mit einem kleinen Studienkredit des Bundesverwaltungsamtes und durch Eigenmittel finanziert. Da ich mitten im Examensendspurt steckte, als die Bewerbungsfristen für die meisten externen Stipendien abgelaufen sind, habe ich mich damals gegen eine Bewerbung um eine externe Finanzierung entschieden.

Das LL.M.-Programm an der Michigan Law School

Das LL.M.-Programm in Michigan ist mit seinen 30 bis 40 Studierenden eines der kleinsten Programme des Landes. Dies hat den großen Vorteil, dass die Studierenden aktiv in den gesamten Alltag an der Law School eingebunden sind und fast alle Kurse und Aktivitäten gemeinsam mit den J.D.s (den amerikanischen Studierenden) belegen. Fachlich bietet Michigan Law ausschließlich ein allgemeines LL.M.-Programm an, im Rahmen dessen den Studierenden sämtliche Kurse der Law School zur Auswahl stehen. Vor dem Hintergrund, dass ich mein LL.M.-Studium zur fachlichen Orientierung nutzen wollte, habe ich die breit gefächerte Auswahl als besonders bereichernd empfunden und war froh, gerade nicht an eine vorgegebene Kurswahl gebunden zu sein. Nachdem ich im Studium in Deutschland den Schwerpunkt im Europa- und Völkerrecht belegt hatte und besonders am Internationalen Wirtschaftsrecht interessiert war, habe ich in Michigan unter anderem Kurse zum WTO-Recht, Internationalen und Vergleichenden Kartellrecht und einen Praxiskurs zum Vertrags-Drafting belegt. Daneben habe ich aber auch einige „exotische“ Fächer gewählt, wie beispielsweise ein Miniseminar zum Thema „Law in Rural America“, das sich am Ende als eine der lehrreichsten und spannendsten Veranstaltungen für mich entpuppt hat.

Der Reading Room der Jura-Bibliothek gilt als eine der schönsten Bibliotheken in den USA.
Der Reading Room der Jura-Bibliothek gilt als eine der schönsten Bibliotheken in den USA.

Während die großen 1L-Vorlesungen um die 80 Studierende umfassen, sind die meisten Upper-Class-Vorlesungen, die in der Regel auch für LL.M.-Studierende interessant sind, mit ca. 30 Studierenden deutlich kleiner als vergleichbare Veranstaltungen in Deutschland. Darüber hinaus gibt es Seminare und Praxiskurse mit ca. 10 bis 20 Studierenden sowie Mini-Seminare (häufig bei den ProfessorInnen zu Hause!) mit ca. 10 Studierenden. Dadurch, dass das LL.M.-Programm so überschaubar ist, bekommen die LL.M.s in den allermeisten Fällen auch Platz in allen Kursen, die sie in ihrer Kurswahl angeben.

Das Uni-Leben an der Law School und in Ann Arbor

Michigan Law genießt in den USA den Ruf, neben einer herausragenden akademischen Ausbildung auch eine überdurchschnittlich freundschaftliche und angenehme Studierendenatmosphäre zu bieten. Dies kann ich so unterschreiben. Das Studium in Michigan ist tatsächlich nicht nur fachlich bereichernd, sondern macht auch viel Spaß. Da die Uni einen starken Schwerpunkt im Internationalen Recht und im „Public Interest Law“ hat (also in solchen Fächern, die auf eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Dienst vorbereiten), zieht die Law School eine sehr vielfältige Studierendenschaft an. Auch die Lage in Ann Arbor führt dazu, dass man während des Studiums nicht das Gefühl hat, an einer BigLaw-Kaderschmiede zu studieren, sondern an einer akademischen Institution, in der jeder Student und jede Studentin sein bzw. ihr individuelles Potenzial voll entfalten kann. Dass viele meiner KommilitonInnen ein anderes Interessensgebiet hatten als ich, fand ich dabei gar nicht hinderlich, sondern im Gegenteil eher bereichernd. Egal für welches Thema man sich interessiert, findet man Angebote und AnsprechparterInnen in der Studierendenschaft und unter den Lehrenden, die jederzeit für Gespräche und Projekte zur Verfügung stehen.

Im zentralen Turm des Lawyers Clubs befinden sich Aufenthaltsräume für die Studierenden.
Im zentralen Turm des Lawyers Clubs befinden sich Aufenthaltsräume für die Studierenden.
Ann Arbor bietet eine große Auswahl an Cafés und Restaurants und verfügt über einige lokale Brauereien und Kaffeeröstereien.
Ann Arbor bietet eine große Auswahl an Cafés und Restaurants und verfügt über einige lokale Brauereien und Kaffeeröstereien.

Auch außerhalb des Studiums haben Ann Arbor und die University of Michigan viel anzubieten. Die meisten LL.M.s wohnen im Lawyers Club (im Jura-Wohnheim), das ich sehr empfehlen kann. Das Wohnheimleben macht das Ankommen in den USA sehr leicht, indem es AnsprechparterInnen für alle Fragen des alltäglichen Lebens und einen einzigartigen Rahmen für sozialen Austausch bietet. In der dining hall erhält man an 6 Tagen pro Woche (außer samstags) Mittag- und Abendessen, was wirklich praktisch ist. Zwar sind die Zimmer mit einer Miete in Höhe von ca. $15.000 für den gesamten LL.M.-Zeitraum nicht gerade geschenkt, allerdings sind darin bereits sämtliche Nebenkosten sowie alle Mahlzeiten enthalten. Dadurch sind die Lebenshaltungskosten jedenfalls sehr gut planbar und das monatliche Budget muss nur noch an die eigene Freizeitgestaltung angepasst werden

Auch in der Hinsicht ist das Leben in Ann Arbor sehr entspannt. Egal, ob man sich in einer der unzähligen Studierendenaktivitäten engagieren möchte, lieber zum Sport geht oder abends gerne mal ein Feierabendbier mit seinen KommilitonInnen trinkt: Alles, was man für sein tägliches Wohl benötigt, ist fußläufig zu erreichen (was in den USA alles andere als selbstverständlich ist). In downtown gibt es viele kleine Cafés, Bars und Restaurants sowie zwei Kinos und einige Läden. Da die ganze Stadt auf Studierende ausgerichtet ist, habe ich mich zu jeder Tages- und Nachtzeit sehr sicher gefühlt und konnte meine Lebenshaltungskosten gut an mein studentisches Budget anpassen.

Ein Highlight des LL.M.s war sicher auch die Football-Saison im Herbstsemester: Die Stimmung im Stadion war wirklich einzigartig und hat bei mir definitiv zum einen oder anderen Gänsehaut-Moment geführt.

Das „Big House“ ist das größte College-Sport-Stadion der Welt und hat Platz für ca. 110.000 Zuschauer.
Das „Big House“ ist das größte College-Sport-Stadion der Welt und hat Platz für ca. 110.000 Zuschauer.

Fazit

Ich bin sehr froh, mich für ein Studium an der University of Michigan entschieden zu haben, und habe das Jahr dort wirklich genossen. Insbesondere Studierenden, die ein LL.M.-Programm mit typisch amerikanischem College-Spirit suchen, kann ich die University of Michigan Law School wärmstens ans Herz legen. Forever Go Blue!

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